Die ukrainische Opposition hat am Sonntag in der Hauptstadt Kiew erneut massive regierungsfeindliche Demonstrationen organisiert.
Damit halten die Proteste gegen die Regierung seit Ende November an. Die ukrainische Regierung hatte Ende November die Verhandlungen über eine Annäherung an die EU eingestellt, was starke Reaktionen der Befürworter einer Europa-Integration in der Ukraine auslöste. Als das ukrainische Innenministerium am 30. November die Demonstranten gewaltsam aus dem Stadtzentrum vertrieb, reagierte die Opposition seit dem 1. Dezember mit unbefristeten Demonstrationen. Auch in der vergangenen Woche haben Oppositionsanhänger in Kiew mehrere Proteste veranstaltet. Dem ukrainischen Innenministerium zufolge nahmen am Sonntag zirka 100.000 Menschen an den Demonstrationen teil, mit denen die Opposition drei Forderungen durchsetzen will. Erstens soll die amtierende Regierung zurücktreten. Zweitens sollen die Verantwortlichen für das gewaltsame Vorgehen gegen die Demonstranten zur Rechenschaft gezogen werden. Drittens sollen alle inhaftierten Demonstranten freigelassen werden. Radikale Jugendliche hatten am Rande der Proteste auch eine Lenin-Statue gestürzt. Am Sonntag waren in Kiew zirka 5000 Polizisten zur Wahrung der Ordnung im Einsatz, die Demonstrationen dauerten bis in die Nacht.
Angesichts der gegenwärtigen Lage und der möglichen Destabilisierung des Landes wird das ukrainische Parlament in dieser Woche mehrere wichtige Beschlüsse verabschieden. Allerdings sieht der ehemalige Präsident des Europäischen Parlaments Ezy Buzek nach Konsultationen mit Oppositionsführern immer weniger Möglichkeiten, die amtierende Regierung zum Rücktritt zu zwingen. Die Opposition werde Präsident Janukowitsch eher auffordern, einige Regierungsmitglieder auszuwechseln.
Der ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch hatte am 6. Dezember in Sochi mit seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin getagt. Danach hieß es in Medienberichten, die Ukraine habe mit Russland den Beitritt zur Zollunion Russlands, Weißrusslands und Kasachstans vereinbart. Dies wurde allerdings sowohl von der Ukraine als auch von Russland dementiert. Zudem war in der vergangenen Woche eine ukrainische Regierungsdelegation nach Brüssel gereist, um dort mit der EU über eine Wiederaufnahme der Verhandlungen zu beraten.
Beobachter konstatieren allerdings, dass die ukrainische Bevölkerung nach der Orangen-Revolution sowie der gescheiterten pro-westlichen Regierung nüchterner und vernünftiger geworden ist. Es gibt in der Ukraine weiterhin große Meinungsverschiedenheiten, ob das Land der EU beitreten sollte. Kiew hofft auf ein Gleichgewicht zwischen Moskau und Brüssel und hat bis jetzt noch keine klare Entscheidung getroffen. Angesichts des großen Drucks von verschiedenen Seiten sowie der nahenden Parlaments- und Präsidentschaftswahlen bleibt die Situation in der Ukraine weiterhin kompliziert.