Es ist sechs Uhr Abend in der Ortschaft Shuimo im Kreis Wenchuan. Ein wohlriechender Geruch liegt in der Luft. Er kommt aus dem Haus der fünfköpfigen Familie von Yao Huazhou, die gerade mit der Zubereitung des Abendessens beschäftigt ist. Das Wenchuan-Erdbeben vom zwölften Mai 2008 brachte das Haus der Familie völlig zum Einsturz. Acht Monate später schmücken Neujahrsspruchbänder und selbst gemachte Würste die Wände ihrer vorläufigen Unterkunft. Die Familie von Yao Huazhou freut sich auf das erste Frühlingsfest seit der verheerenden Naturkatastrophe.
Um sicherzustellen, dass auch die Erdbebenopfer ein harmonisches und glückliches Frühlingsfest feiern können, hat die Regierung der Provinz Sichuan im Vorfeld des Frühlingsfestes die Aktion „warmer Frühling" ins Leben gerufen. Im Rahmen dieser Aktion haben die Parteifunktionäre in den Katastrophengebieten die Erdbebengeschädigten besucht, ihnen Mittel zur Feier des Frühlingsfests zukommen lassen und ihnen bei der Lösung ihrer Alltagsprobleme geholfen. Die Regierung des Kreises Wenchuan beispielsweise versorgte seine Bewohner mit Kleidern und Bettdecken aus Baumwolle sowie mit Palmfasermatratzen.
Die Gemeinde Yingxiu im Kreis Wenchuan lag genau im Epizentrum des Erdbebens. Die Opferzahl und materiellen Verluste waren hier besonders groß. Der über 70-jährige Zhang Minde verlor seinen ältesten Sohn durch das Erdbeben. Wenig später starb auch seine Frau. Heute will er nicht mehr über die Katastrophe reden. Er sagte vor dem Journalisten, trotz dem Unglück werde er aber das Frühlingsfest im Kreise seiner Familie mit einem Festessen feiern. Dies sei schließlich eine chinesische Tradition.
Die Dorfbewohner seien nun gerade mit den Vorbereitungen für das Frühlingsfest beschäftigt, erzählt uns Jiang Yongfu, ein Funktionär in Yingxiu. Die Dorfverwaltung sei im Moment dabei, die Meinungen und Vorschläge der Dorfbewohner über feierliche Aktivitäten anzuhören. Es sei der Wille der Dorfbewohner, das erste Frühlingsfest nach dem Erdbeben auf ganz besondere Art zu begehen. Das Fest solle ihnen bei der Verarbeitung der Katastrophe helfen und ihnen neuen Mut für die Zukunft geben, sagt Jiang Yongfu:
"Am Silvesterabend werden wir im Dorf ein Kulturprogramm aufführen, das von den Dorfbewohnern selbst geschaffen wurde. Wir wollen das erste Frühlingsfest nach dem Erdbeben auf würdige Art und Weise begehen. Auf diese Weise soll auch die Hoffnung der Dorfbewohner auf ein besseres Leben genährt werden."
Wie der Kreis Wenchuan wurde auch der Kreis Beichuan schwer vom Erdbeben getroffen. Die Menschen in Beichuan schauen dem ersten Frühlingsfest nach dem verheerenden Erdbeben ebenfalls hoffnungsvoll entgegen.
Beichuan ist der einzige autonome Kreis der Qiang-Nationalität in China. Über die Hälfte der dortigen Bevölkerung gehört der Qiang-Nationalität an. Auf dem neuen Platz der Gemeinde Leigu kann man viele Bewohner beim traditionellen Guozhuang-Tanz beobachten. Die Qiang feiern das Frühlingsfest auf ihre ganz eigene Weise. Sie ziehen ihre Trachten an und führen ihren einzigartigen Guozhuang-Tanz auf. Mit dem Abbrennen von Feuerwerken heißen die Qiang nicht nur den Frühling willkommen, sondern sie bringen auch ihren Dank gegenüber der Lokalregierung zum Ausdruck, die für sie Neuwohnungen bauen ließ.
Die Menschen in den Katastrophengebieten haben ihren Lebensmut nicht verloren. Ihre Vorfreude auf das Frühlingsfest ist besonders groß. Nicht zuletzt, weil das Frühlingsfest das Ende des kalten Winters einläutet und die baldige Ankunft des warmen Frühlings verspricht.