China hat ein Auto-Problem. Die Straßen sind bereits so verstopft wie an kaum einem anderen Ort und dennoch wollen noch immer unzählige Chinesen ein Auto kaufen. Um die Anzahl der neu zugelassenen Fahrzeuge zu limitieren, haben einige Städte wie Beijing besondere Maßnahmen ausgearbeitet. In der chinesischen Hauptstadt kann ein Auto-Kennzeichen daher seit dem Jahr 2011 nur noch in einer Lotterie gewonnen werden. Die Wahrscheinlichkeit, ein normales Kennzeichen zu erhalten, ist dabei aber fast so gering wie ein echter Lottogewinn. 2019 beträgt sie gerade einmal 0,2 Prozent.
Für mit neuen Energien betriebene Fahrzeuge gilt diese Lotterie aber nicht. Für diese müssen sich Beijinger Einwohner nur bewerben. Wer sich zuerst bewirbt, erhält zuerst sein Kennzeichen. Allerdings ist auch hier die Anzahl der jährlich herausgegebenen Nummernschilder begrenzt, und mit der steigenden Zahl der Bewerber kommt es auch hier inzwischen zu einer Wartezeit von acht Jahren.
Yin Fan hat sich im Jahr 2013 für ein Autokennzeichen in Beijing beworben, Losglück hatte er bislang jedoch nicht. Eine Bewerbung für ein Kennzeichen eines alternativ angetriebenen Fahrzeugs hat er aber nie in Betracht gezogen. Es gebe zu wenige Elektro-Tankstellen und er besitze auch keinen eigenen Parkplatz, an dem er eine eigene Aufladestation platzieren könne, so Yin. Also bleibt ihm nur eins: Warten und solange sein Fahrrad und öffentliche Verkehrsmittel nutzen. Allerdings sagt er auch, ein Auto sei für ihn kein Muss, sondern ein Luxus. Er könne es sich also leisten, geduldig zu warten.
Doch gibt es zahlreiche Chinesen, die im Alltag dringend ein eigenes Auto brauchen. Auch sie müssen jedoch auf ihr Glück hoffen oder mindestens acht Jahre Wartezeit einplanen.
Aber auch wer am Ende endlich sein heißbegehrtes Nummernschild erhalten hat, darf nicht einfach Montag bis Sonntag rund um die Uhr frei nach Belieben sein Auto bewegen – zumindest nicht innerhalb des fünften Stadtrings. Denn montags bis freitags von sieben bis 20 Uhr ist es jeden Tag verschiedenen Autos untersagt, zu fahren. Ob das eigene Auto betroffen ist, liegt an der letzten Ziffer des Nummernschildes. Jeden Tag sind zwei Nummern gesperrt. Welche Nummern an welchem Tag gesperrt sind, rotiert alle drei Monate. So sind Autos mit den Endziffern „1" und „6" zum Beispiel von Januar bis April montags gesperrt. Von April bis Juli dürfen sie dann dienstags nicht fahren. Wochenenden und Feiertage sind von diesen Regelungen ausgenommen, an diesen Tagen dürfen alle Autos fahren. Wer sein Auto in der gesperrten Zeit bewegt und erwischt wird, muss mit einer Geldstrafe rechnen.
Aber wenn man mal ehrlich ist, kommt man in Beijing tatsächlich auch ohne Auto gut aus. Aufgrund des andauernden Staus ist die U-Bahn zwar auch ziemlich voll, aber zum Teil sogar schneller als das Auto oder der Bus. Chinas Hochgeschwindigkeitszüge machen auch das Reisen in andere Städte mit dem Zug meist schneller als mit dem eigenen Auto und wer dann doch einmal dringend eins braucht, der kann zur Not auch immer noch auf die Vielzahl der neu aufgetretenen Share-Autos zurückgreifen. Stellt sich nur die Frage: Wo haben die alle ihre Nummernschilder her?