Chinas Square Dance Omas

2019-07-02 08:14:28

Wer sind diese Omas, die Chinas öffentliche Plätze erobert haben? Sie sind die „dama" oder auch Tanten. Der Begriff selbst setzt sich aus dem chinesischen Zeichen für „groß" und dem Zeichen für „Mutter" zusammen, gemeint ist im eigentlichen Sinne aber des Vaters älteren Bruder seine Frau. Heute wird der Begriff gerne auch etwas abwertend für die wild tanzenden Omas oder Tantchen auf öffentlichen Plätzen verwendet.

Sie haben bestimmt schon von diesem Stereotyp gehört oder es selbst auf einem der vielen öffentlichen Plätze und Parks in China gesehen: alte Frauen tanzen Square Dance zu ohrenbetäubend lauter Musik. Junge Menschen, die auch gerne mal ausschlafen am Wochenende, sind oft nicht gut darauf zu sprechen, gerade wenn sie an einem dieser Plätze leben.

Seit Jahrzehnten tanzen die Damen und genießen es neue Freunde dabei zu finden und Verbundenheit zu spüren.

Über die Entstehung des Phänomens ist man sich wohl einig. Es kam in den 90er Jahren auf. Zehntausende von Menschen verloren damals ihren Arbeitsplatz durch die Privatisierung vormals staatlicher Betriebe. China war im Umbruch. Professor Huang Yongjun von der Hunan Normal University hat dazu geforscht und allerhand empirische Studien durchgeführt. Ihm zufolge hatten diese Frauen, ganz salopp gesagt, viel Zeit aber wenig Geld. Gesundheit war ihnen wichtig, genauso wie Unterhaltung und das Gemeinschaftsgefühl von früher, in der Fabrik oder im Dorf, dass sie verlassen haben. Jedoch fehlte es an den nötigen Einrichtungen. Darum wendeten sie sich den öffentlichen Plätzen und Parks zu, so der Professor.

Wie die Journalistin He Huifeng im Gespräch mit Mi Li, Professor an der Central South University, herausgefunden hat, stammt der Drang zum gemeinsamen Tanz aus ihrer Kindheit. Ihrem Alter nach haben die meisten dieser Frauen die wechselhaften Zeiten vor der Reform- und Öffnungsperiode als Kind oder im Jugendalter miterlebt. Die damalige Mentalität war kollektivistisch. Auf den öffentlichen Plätzen von heute können sie das Gemeinschaftsgefühl wieder spüren.

Ten Wei vom Center for Contemporary Cultural Studies an der South China Normal University sieht das aber etwas anders. Ihrer Meinung nach ist die Beschreibung der alten Frauen als Produkt einer wechselhaften und wilden Zeit, die nur Kollektivismus im Kopf hätten, eine abzulehnende Stereotypisierung. Sie verlagert den Ursprung des „dama" Phänomens in die Zeit der Reform- und Öffnung. Damit betont sie zum einen die Phase der Privatisierungen und den Verlust der Arbeit aber auch das damals erwachsenen Bewusstsein für die eigene Gesundheit, um die es sich zu kümmern aber teuer werden kann. Die Damen hätten ihre Antwort zu den teuren Fitnessstudios der jungen Generation gefunden. Die Faszination mit dem pulsierenden lauten Beats der Tantchen erinnere sie vielmehr an modernen Hip-Hop, denn an musikalische Relikte vergangener Jahrzehnte.

Als modernes Phänomen ziehe es ebenso viele Ältere in die urbanen Vorstädte, so Ten Wei, um die kostenlose Enkelfürsorge für ihre überarbeiteten Kinder zu übernehmen. Viele stammten ursprünglich vom Lande oder aus den Fabriken, darum sei es nur natürlich gemeinsam mit Geistesverwandten die Freizeit zu gestalten.

Und was hat das Wall Street Journal mit alledem zu tun? Nun die „damas" tanzen nicht nur gemeinsam. April 2013 fiel der globale Goldpreis und für die chinesischen Tantchen war die Zeit gekommen. Sie investierten 14 Milliarden US-Dollar in 300 Tonnen Gold und das in nur zehn Tagen. Damit stabilisierte sich der Goldpreis wieder und man glaubte schon fast die Omas hätten gegen die Wall Street gewonnen. Jedenfalls bezeichnete sogar das Wall Street Journal „damas" als einen der wichtigsten Einflussfaktoren auf dem globalen Goldmarkt. Leider hielt dieser Erfolg nur für eine kurze Zeit an.

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