Der lang herbeigesehnte „Avengers: Endgame", das große Finale der megaerfolgreichen Reihe, startet gerade in Chinas Kinos richtig durch. Das Einspielergebnis wird wohl am Ende das der Vorgänger noch um Einiges übertreffen, eben auch, weil danach nichts mehr kommt. Die Story des Superhelden-Bundes ist mit diesem monumentalen Streifen zu Ende erzählt.
„The Avengers", der erste Film der Reihe, spielte in China rund 75 Millionen Euro ein, „Age of Ultron" schon 194 Millionen Euro und „ Infinty War" 316 Millionen Euro. Vom aktuellen Streifen wird noch mehr erwartet. Schon am ersten Tag, einem Mittwoch, hatte er gut 11 Millionen Euro eingespielt.
Auch hier in China ähnelte die Beziehung zwischen dem Publikum und den Leinwandhelden einer Liebesgeschichte, deren letztes Kapitel nun aufgeschlagen wird – mit vielen tränenreichen Abschiedsszenen. Ein astreines Happy End hätte die Zuschauer allerdings auch irritiert.
„Avengers: Infinty War" endete damit, dass Thanos mithilfe der Unendlichkeitssteine die Hälfte allen zivilisierten Lebens einschließlich Doctor Strange, Black Panther, Star Lord und Spider-Man zu Asche werden ließ. Hier die Namen der Schauspieler zu nennen, wäre überflüssig, da die Marke Avengers und dieser Film im Vordergrund stehen. Aber wirklich alle Stars liefern eine klasse Leistung.
Es ist ein offenes Geheimnis, dass „Endgame" nicht das Ende für alle Helden bedeutet, schließlich soll „Spider-Man: Far from Home" diesen Sommer in die Kinos kommen. Gerade solche Hinweise sowie die extra gestreuten Gerüchte und die kunstvoll eingesetzten Trailer haben zu einer wahren Schnitzeljagd und einem Reigen an Spekulationen und Spoilern geführt. So wurde der Film, dessen Produktionskosten auf bis zu 600 Millionen Dollar geschätzt werden, auch jenseits der Leinwand schon vor der Aufführung ganz groß.
Gleich zu Beginn von „Endgame" wird den Zuschauern der klägliche Rest der Avengers präsentiert, in einer zerstörten Welt. Die Helden plagt vor allem die Schuld der Überlebenden. Nicht nur sie würden gerne am Rad drehen – Zerstörung, Leid und Tod ungeschehen machen.
Die Eröffnungssequenz ist für einen Actionfilm untypisch leise und langsam. Die Regisseure beweisen insgesamt ein gutes Gespür für das richtige Tempo, was bei einem Dreistundenfilm sehr angenehm ist.
Die Zuschauer werden übrigens Probleme haben, in Thor den Wikingergott wiederzuerkennen, so hat er sich gehen lassen. Tony Stark muss endlich einmal weniger reden, weil ihm sonst im Weltall der Sauerstoff ausgeht. Trotz amüsanter Einfälle überwiegt aber in der ersten Stunde der melancholische Ton. Marvel-Nerds können sich über zahlreiche Anspielungen freuen, aber keine Angst, auch alle anderen kommen auf ihre Kosten.
In der zweiten Stunde geht es dann um Hoffnung, Erinnerung und Kampf. Natürlich ist hier eine gigantische Kampfszene enthalten, die zeigt, was der Stand der Animationstechnik ist. In Thor, Iron Man, Black Widow, Captain America und auch Captain Marvel ist der Kampfesgeist erwacht und es gibt Hilfe von Hawkeye und Ant-Man, der ein paar ziemlich lustige Szenen hat.
Reichen Hirn, Herz und Superkräfte aus, um eine Lösung zu finden? Sicher, denn diese ist sehr einfach: Auf einer Zeitreise sollen die Steine gefunden und Thanos getötet werden. Aber welche kosmischen und auch komischen Implikationen haben Zeitreisen überhaupt?
Der besondere Reiz von „Endgame" liegt in seiner Endgültigkeit. Der Zuschauer fiebert emotional mit wie nie zuvor, denn jetzt gibt es keine rettende Fortsetzung für seine Helden, einmal abgesehen von dem Spiderman-Sequel. Wer jetzt stirbt, ist hin. Diese Konstellation gibt dem Film mehr Tiefe und Gewicht, als man von einem Superhelden-Film erwarten würde. „Avengers: Endgame" ist ein Blockbuster, aber einer bei dem man mehrere Male das Popcorn vergisst bzw. nur automatisch weiterfuttert.
Die letzte Stunde ist effektreich und sie geht zugleich zu Herzen, der Zuschauer leidet mit seinen Helden mit und nimmt Abschied.
Spielte der letzte Avengers-Streifen weltweit 1,83 Milliarden Euro ein, trauen „Endgame" viele Experten noch weit mehr zu und vielleicht knackt er in China sogar die 500-Millionen-Euro-Marke. Auch das wäre verdient.
Text: Nils Bergemann