Bürokratie im Jenseits: Die 76 Abteilungen der Hölle

2019-01-15 08:40:59
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Eine fies dreinblickende Katze verzückt den Stelenwald im Tempelinnenhof

In Beijing da steht ein Tempel, der einen direkt in die Hölle führt. Nur fünf Minuten östlich der U-Bahnhaltestelle Chaoyangmen liegt der Dong Yue Miao – der Tempel des Gottes Dong Yue. Sehr zentral, etwas südlich vom Arbeiterstadion und gar nicht so weit entfernt vom pulsierenden Central Business District in Guomao, liegt der Tempel verschlafen zwischen Geschäftsgebäuden, schicken Neubauten und Einkaufszentren.

Nur noch vier Jahre warten, dann ist wieder Jahr des Hasen. Dieser listige Hase stammt nicht aus einem Märchenbuch,

sondern repräsentiert das chinesische Tierkreiszeichen in einer eigens dafür eingerichteten Abteilung des Jenseits

Der alte Bau steht dort bereits seit 1322. Erbaut wurde er von Anhängern des Zhengyi Daoismus oder auch Himmelsmeister-Daoismus. Sie haben den Tempel der Gottheit des östlichen Berges, des Dong Yue gewidmet, die auf dem heiligen Berg Tai lebt und dort die Verwaltung der 18 Schichten der Hölle und ihrer 76 Abteilungen des Jenseits innehat.

Wenn man längere Zeit in China verbringt, bekommt man das Gefühl, dass viele Tempel einander ähneln, es gibt kaum etwas Neues zu entdecken. Hier ist das völlig anders.

Karies ist nach dem Tod kein Thema mehr. Ein fieser Höllenwächter kümmert sich um die Bestrafung von Verbrechern

Der größte Innenhof des Tempels wird rundum gesäumt von 72 Hallen. Die Haupthalle liegt in der Mitte des Innenhofs. Dort kann der Besucher mit Räucherstäbchen und Geld Opfergaben leisten. Diese ist aber weniger kurios. Genauso wie der schick anzuschauende Stelenwald aus Stein. Ein Folklore-Museum befindet sich dort auch noch.

Doch kommen wir zurück zu den 72 Hallen, welche die 72 Abteilungen des Todes im Daoismus verkörpern. Nun gut einige Abteilungen sind auch in einer Halle zusammengelegt worden. Diese Abteilungen warten auf diejenigen, die in ihrem irdischen Leben Unrecht getan haben oder sich wegen ihres unerwartet plötzlichen Ablebens beschweren möchten.

Die phantasiereiche Gestaltung einiger Figuren strotzt jeder Erwartung.

Dieser grüne Geselle könnte genauso aus einem zeitgenössischen Anime stammen

Dort geht es bürokratischer zu, als bei der Besorgung des Passierscheins A 38 in „Asterix – Sieg über Cäsar". Es gibt die Abteilung für gerechtfertigten Wohlstand, die Abteilung der Umsetzung der 15 schändlichen Tode, die Eier-Geburt (eine Wiedergeburt als Vogel), die Abteilung für offizielle Moral, die Seuchen verteilende Abteilung, die Abteilung für Giftstoffe, die Abteilung zuständig für Leiden und Bedrängnis, Abteilungen für Wasser- und Erdgötter und natürlich für Monster und Dämonen.

Gerade letztere scheinen alle Hallen zu bevölkern. In jeder Halle finden sich Wächter und Vertreter der zuständigen daoistischen Abteilungen und zumeist sind sie absurd aussehende Geister und Tier-Mensch-Mischwesen, die unweigerlich an die Kostüme aus den frühen Tagen der Scooby-Doo Cartoons erinnern.

Er kümmert sich um den Strafvollzug

Doch so humorvoll diese Figuren auch aussehen mögen und so absurd die Abteilungen klingen, im Daoismus sind sie durchaus ernst gemeint. Da im Daoismus die Seele nach dem Tode weiterexistiert und das Leben nur eine Phase in der Existenz ist, ist es nur plausibel, den Tod so bürokratisch zu organisieren, denn in den Abteilungen wird entschieden, wie das Schicksal einer ewigen Seele aussehen wird.

Text und Bilder: Maik Rudolph

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