Keanu Reeves macht Replicas zum Wohlfühlfilm

2018-12-27 09:15:46

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Was Sie schon immer über Klone, Seele, Ich-Bewusstsein, Selbstbestimmung, Moral, Fortschrittsglauben, Künstliche Intelligenz, Robotik, militärische Anwendungen, Medizin für Reiche und den Tod wissen wollten, wird Ihnen der US-Science-Fiction-Thriller Replicas auch nicht zufriedenstellend beantworten. Aber immerhin schneidet der von der chinesischen Firma Fundamental Films mitproduzierte 107-Minuten-Streifen diese komplexen Themen an und der wissenschaftsinteressierte Zuschauer beschäftigt sich sehr bald selbst damit.

Mit den unlogischen und peinlichen Momenten des Films, wie dem Sichtbarmachen, Verschieben und Löschen von Gedächtnisinhalten via Virtual Reality, wird sich diese Kritik nicht beschäftigen, da diese schön anzuschauen sind.

Der brillante US-amerikanische Neurowissenschaftler William Foster (Keanu Reeves) arbeitet in einem Labor, das sich in Puerto Rico befindet, um lästige Vorschriften zu umgehen. Foster ist kurz davor, das Gedächtnis eines sterbenden Menschen auf das künstliche Gehirn eines Androiden zu übertragen und den Roboter damit zu dessen Bewusstseinskopie und zur ersten Künstlichen Intelligenz überhaupt zu machen. Fosters Arbeitgeber setzen ihn stark unter Druck; es geht um nichts weniger als die Einstellung des ganzen Projekts, wenn der Erfolg ausbleibt.

Bei einer privaten Fahrt während sintflutartiger Regenfälle kommt es jedoch zu einem verheerenden Autounfall, bei dem der Wissenschaftler seine junge schöne Frau und die drei Kinder verliert. Der Verlust der Bilderbuchfamilie passt nicht in das Lebenskonzept des Genies. Helden oder Übermenschen werden gerne mit Keanu Reeves besetzt und auch hier ist er die richtige Wahl. Reeves schafft es, den völlig moralfreien Forscher Foster sympathisch rüberzubringen. Wenn Foster überhaupt an etwas glaubt, dann ist es an die Allmacht der Wissenschaft. Foster will seine Familie zurückhaben, koste es was es wolle. Sein trotziges Nichtabfinden mit dem jähen Tod, das unzerstörbare Band zur über alles geliebten Familie sind aber rührend.

Mit William Foster arbeitet Replikationsbiologe Ed Whittle (Thomas Middleditch) zusammen, der fleißig und hemmungslos klont. Er züchtet nun für seinen Freund William in Tanks mit Nährlösung innerhalb von zweieinhalb Wochen Replikate der Verstorbenen heran, warnt aber vorher vor vorzeitiger Alterung, Krebs und dem Zorn Gottes. Überdies muss Foster eine schwere Entscheidung treffen. Denn es gibt nicht genügend Tanks.

Die Situation spitzt sich zu,als der geheimnisvolle Chef der Forschungseinrichtung (John Ortiz) Wind von der privaten Aktion bekommt. Ihm schweben noch ganz andere Anwendungen vor – wie den Geist eines Hackers ins Netz zu senden oder den eines Piloten in Drohnen einzusetzen.

In wieweit Roboter und Superreiche eine Rolle für die weitere Handlung spielen, sei hier nicht verraten. Der Autor verrät aber hier die wahrscheinlich einzige Möglichkeit einer Lebensverlängerung mit absolutem Identitätserhalt, die nicht im Film erwähnt wird: Das Gehirn eines sehr alten Menschen wird durch gezüchtete Nerven und Zellgewebe mit dem Gehirn seines jungen Klons verbunden. Das alte Gehirn wird nun nach und nach und Bereich für Bereich abgetötet, während es aufgrund seiner Plastizität andere Areale und schließlich auch das neue Gehirn nutzt und dies bei durchgängiger Ich-Bewusstheit.

Ob geklonte Menschen nur Kopien wären und was eineiige Zwillinge davon halten würden, und ob Science-Fiction Filme Teil eines Gewöhnungsprozesses an die unvermeidlichen Früchte des menschlichen Forschergeistes sind, darf sich jeder bei einer Tüte Popcorn und einer Ein-Liter-Limonade selbst im Kino beantworten.

Text: Nils Bergemann

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