Sei es Schloss Neuschwanstein, Sanssouci, die Wartburg oder Schloss Colditz – in Deutschland kennt man historische Bauten und Denkmäler, denen man ihr Alter ansieht. In China gibt es natürlich auch zahlreiche historische Bauten, doch sehen diese ein bisschen anders aus.
Während in Europa der Wert auf die Erhaltung einer verfallenen und von der Zeit geprägten Ästhetik liegt, geht der Trend in Asien in eine andere Richtung. Hier werden viele Bauten so repräsentieren, wie sie früher wirklich aussahen und das mit strahlenden Farben.
In Europa bekommt man schnell das Gefühl, dass jeder Stein noch aus dem frühesten Mittelalter stammen muss. Ganz neu sehen sie nicht unbedingt aus. Natürlich ist das aber auch nicht ganz korrekt. Die Geschichte der Restaurierung beginnt in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Damals war das Kredo aber noch die Schaffung eines Optimalzustandes für das Bauwerk. Also wie es einst ausgesehen haben muss, auch wenn diese Vorstellung nicht der Realität entspricht. Vater dieser akademischen Restaurationstheorie war der Denkmalpfleger Viollet-le-Duc. Sein Standard hat sich in den folgenden fast hundert Jahren nur langsam verändert. Immer wieder haben Denkmalpfleger und Restauratoren sich für eine andere Wahrnehmung der alten Steinbauten entschlossen und zwar eine, die Historikern und anderen Wissenschaftlern für die Zukunft eine Forschungsbasis bietet. Der Fokus liegt dabei auf dem Konservieren und nicht dem Restaurieren. Ein Gebäude soll in dem Zustand erhalten werden, in dem es sich befindet, um es als historische Quelle stehen zu lassen. Und als Quelle dienen sie ja tatsächlich, wenn man sich in Erinnerung ruft, dass viele der Gebäude bereits eine faszinierende Überarbeitung durchgemacht haben, als versucht wurde, einen optimalen Zustand zu restaurieren, der eher aus den Vorstellungen der jeweiligen Epoche denn der vergangenen Realität stammt.
Aber wie sieht es nun in China aus. Wer schon einmal die Chinesische Mauer an Ihren berühmtesten Stellen besucht hat, weiß, wie filmreif sie aussieht.
Der wohl berühmteste Abschnitt ist Badaling, gar nicht unweit vom Zentrum Beijings. Dieser Abschnitt wurde zur Vorzeigemauer für viele internationale Staatsbesuche, wie jenem geschichtsträchtigen Chinabesuch von Richard Nixon 1972. Betrachtet man sie, bekommt man das Gefühl, mitten in der Vergangenheit zu stecken. Dieser Abschnitt hätte eine Kulisse in der chinesisch-amerikanischen Filmproduktion „The Great Wall" von 2016 sein können.
Ein anderer berühmter Abschnitt ist Mutianyu. Dieser Mauerteil liegt neben dem Musterdorf mit selbigem Namen und strahlt ebenso, als wäre er erstmals erbaut worden. An der Restaurierung in den 1980er Jahren war auch die deutsche Henkel-Gruppe beteiligt.
Wilde Stücke, die nur konserviert aber nicht restauriert werden, finden sich natürlich auch, aber man muss manchmal danach suchen. Diese haben natürlich für Freunde des Kletterns und Wanderns einen großen Reiz, denn Stufen findet man dort nicht unbedingt mehr vor.
Ein anderes gutes Beispiel ist die Verbotene Stadt. – Das touristische Highlight Beijings. Sie wird regelmäßig restauriert, so zum Beispiel auch zu den Olympischen Spielen 2008. Dort werden sogar mit 3D-Druckern kulturelle Artefakte restauriert. Da diese UNESCO-Welterbestätte im 20. Jahrhundert einige Verfallsprozesse aufgezeigt hat, wurde sie komplett auf den Zustand von vor 1914 restauriert. Einige verlorengegangene Teile der Stadtmauer wurden gänzlich neu aufgebaut.
China orientiert sich bei der Erhaltung von Kulturstätten an einem Standard, den das Land zusammen mit dem Internationalen Rat für Denkmalpflege entwickelt hat, den Principles for the Conservation of Heritage Sites in China. Während in Europa bereits im 19. Jahrhundert die ersten Debatten um die richtige Denkmalpflege angefangen haben, sind diese in China erst in den 1930ern aufgekommen. Demnach gab es viel in China nachzuholen.
Diese Richtlinien von 2000 legen den Fokus auf die Konservierung, erlauben aber auch eine Restaurierung in bestimmten Fällen. Denn die ästhetischen Kriterien orientieren sich an der Annäherung an eine Authentizität der Kulturstätten. Der Erhalt des historisch gewachsenen Zustandes lässt den Richtlinien zufolge auch die Restaurierung zu einem früheren Zustand zu, wenn erhebliche Schäden oder artverwandte Umstände, auch der Mangel großer Teile, zum Beispiel durch Brand und Krieg, die Stätten beeinträchtigen. Restaurieren gleicht hierbei dann einer Reparatur und mag auf dem ersten Blick wie ein Neubau wirken. Und Reparaturen waren nach den Entwicklungen des 20. Jahrhunderts und der spät einsetzenden Debatte um Denkmalpflege von Nöten.
Text: Maik Rudolph