Es ist Januar 1974. Auf dem Lößplateau herrscht ein harter Winter. Das traditionelle chinesische Frühlingsfest steht vor der Tür. Jede Familie im Dorf bereitet sich darauf vor.
Xi Jinping wurde gerade zum Parteisekretär der Produktionsbrigade gewählt. Er überlegt sich die ganze Zeit, was er für Liangjiahe tun kann.
Als er eines Tages in den Zeitungen blättert, sind ihm zwei Berichte in der Tageszeitung "Renmin Ribao" aufgefallen: In der südwestchinesischen Provinz Sichuan wird das Biogas tatkräftig entwickelt. Wie schön wäre es, wenn wir auch hier Biogas zum Kochen und zur Beleuchtung verwenden könnten, denkt Xi.
Liangjihe ist geografisch ein abgelegener Ort. Der nächste Kohleberg liegt etwa 50 Kilometer entfernt. Für Feuer und zum Kochen, wurden schon seit langer Zeit große Mengen von Bäumen gefällt, was zur Bodenerosion führte und die landwirtschaftliche Entwicklung beeinträchtigte. Mit der Entwicklung von Biogas kann man nicht nur aus diesem Energieengpass gelangen und die Produktivität fördern, sondern auch den Kot besser entsorgen und das öffentliche Hygieneniveau erhöhen. Und nicht zuletzt kann man dadurch noch Düngemittel gewinnen und die Erträge erhöhen. Biogas ist eine wunderbare „Allzweckwaffe" für das Leben und die Produktion auf dem Land.
Obwohl Xi Jinping der Zukunft von Biogas zuversichtlich entgegensieht, bleibt er vernünftig. Er fragt sich: Das Klima hier unterscheidet sich sehr von dem in Sichuan. Kann der Schlüssel aus Sichuan das Schloss hier in Shaanxi öffnen?
Xi Jinping ist ein Mann der Tat. Er entscheidet sich, nach Sichuan zu reisen, um die Antwort selbst herauszufinden.
Er geht mehr als 20 Kilometer zu Fuß zur Kreisstadt, um dem Parteikomitee seinen Plan über die Entwicklung von Biogas sowie über die geplante Sichuan-Reise zu berichten. Der Plan wird genehmigt. Nach dem Frühlingsfest leiht sich Xi genügend Geld für die Reisekosten und macht sich auf den Weg, zusammen mit Bai Genzhu, einem Kader aus Beijing, der zur Unterstützung nach Yan´an entsandt wurde. Die Reise bestärkt Xi in seiner Überzeugung. Xi Jinping entscheidet sich, Biogas in Liangjiahe zu entwickeln.
Es tritt aber ein Problem nach dem anderen auf. Die Umsetzung seiner Idee ist viel schwieriger, als man sich vorgestellt hat.
Tüchtige Arbeit ist die Lösung für alle möglichen Probleme.
Zunächst einmal fehlen Steine. Unter Führung von Xi Jinping gräbt man in einem Morast brauchbare Steine aus, nachdem man eine Schicht von mehr als einem Meter Erde abgetragen hat. Es fehlt auch Sand. Xi nimmt einige junge Männer mit zum 7,5 Kilometer entfernten Nachbardorf und trägt einen Sandsack auf dem Rücken zurück. Jeden Tag pendeln sie zweimal zwischen den beiden Dörfern hin und her. Bei der Wanderung wird die Haut auf dem Rücken durch die schwere wackelnde Last durchgescheuert. Kalk fehlt auch. Xi fragt erfahrene Meister um Rat und sucht überall nach Kalkstein. In Liangjiahe wird eine kleine Kalkfabrik gegründet.
Xi Jinping eilt geschäftig hin und her, er läuft auf Hochtouren wie ein Motor. Er ist fest davon überzeugt. Trotzdem werden andere Stimmen laut.
Manche sagen ihm auf den Kopf zu: "Du willst bloß den Helden spielen. Es ist in Sichuan viel wärmer als in Yanchuan. Biogas geht bei uns nicht! Nördlich des Qinling-Gebirges geht es einfach nicht!"
Der beharrliche Xi ist jedoch der festen Überzeugung, dass die fertige Biogasgrube schon für sich sprechen wird.
Mitte Juli 1974 wird die Grube mit einer Kapazität von acht Kubikmetern fertiggebaut. Es gibt aber keinen Grund zur Selbstzufriedenheit. Die Pipeline wird angeschlossen. Es kommt aber kein Gas heraus.
Wo liegt das Problem? Ist die Pipeline verstopft? Xi holt einen Spieß und stößt zu. Nichts. Er versucht es noch einmal, diesmal mit größerer Kraft. Aus dem Rohr schießt ein Wasserstrahl in sein Gesicht, gemischt mit Kot.
Xi Jinping hat keine Zeit, sich das Gesicht zu waschen. Er verbindet das Rohr wieder. Am anderen Ende dreht er dann einen Gasherd auf und zündet ein Streichholz an. Die Szene, von der man lange Zeit geträumt hat, wird wahr: Aus dem Herd steigt eine etwa 30 Zentimeter hohe Flamme auf, die elegant schwingt.
Xi Jinping hat es geschafft. Die Nachricht wird im ganzen Dorf verbreitet und dringt bis zur Kommune und Kreisstadt. Man kommt aus allen Richtungen, um die wunderbare Flamme mit eigenen Augen zu sehen.
Die Behauptung, dass Biogas in den Gebieten nördlich des Qinling-Gebirges nicht geht, ist damit widerlegt. Über das Dorf hinaus sind die Menschen begeistert und wollen mehr Gruben bauen.
Das erfolgreiche Experiment erweckt auch die Aufmerksamkeit der höheren Parteikomitees. Das Parteikomitee des Kreises Yanchuan hat es sich zum Ziel gesetzt, bis 1977 das Biogas im ganzen Kreis zu verbreiten. Dazu wird ein offizielles Inspektionsteam nach Sichuan geschickt. Dazu gehört auch Xi Jinping.
Nachdem das Team aus Sichuan zurückgekehrt ist, entscheidet sich das Kreisparteikomitee, Biogas im ganzen Kreis zu verbreiten. Verschiedene Kurse werden angeboten. Xi Jinping ist dabei der Hauptredner und zuständig für die Verbreitung der Technik.
Liangjiahe ist arm an Steinen. Deswegen versucht man, die Steine teilweise durch Erde zu ersetzen und die Grube kombiniert mit den beiden Rohstoffen zu bauen. Die Baukosten für jede Grube sinken von etwa 40 auf 30 Yuan. Bis August 1975 werden in Liangjiahe 34 Gruben gebaut. Insgesamt 43 Haushalte werden mit Biogas versorgt, das zum Beleuchten und Kochen ausreicht.
Dieses Erlebnis beeinflusst Xi Jinping enorm und weitreichend.
Fünf Jahre später erinnert sich Xi an dieses Erlebnis, als er als Parteisekretär des regionalen revolutionären Komitees Ningde in der südostchinesischen Provinz Fujian fungiert: „Als ich als Stadtjugendlicher im Dorf Liangjiahe im Kreis Yanchuan im Norden der Provinz Shaanxi arbeitete, habe ich versucht, Biogas im ganzen Dorf zu verbreiten. Es handelte sich dabei um einen kleinen Gewinn an wissenschaftlichen und technischen Fortschritt. Zum Kochen wird kein Brennholz und zum Beleuchten kein Lampenöl mehr gebraucht. Das Lächeln und die Freude der Dorfbewohner bleiben mir bis heute in frischer Erinnerung. Die Praxis hat bewiesen, der technische Fortschritt kann das Leben vereinfachen und die Produktion fördern, was natürlich von den Volksmassen unterstützt wird.
Als Xi Jinping, der damalige Sekretär des Zhejianger Provinzparteikomitees 2005 den Kreis Chun´an inspiziert, besucht er extra die Biogasgrube im Dorf Xiajiang. Er bezeichnet sich als einen "Fachmann für Biogas" und fordert auf, Biogas tatkräftig zu entwickeln und den Volksmassen einen echten Nutzen zu bringen.
Liangjiahe hat inzwischen schon längst Anschluss an das Stromnetz. Die erste Biogasgrube, die unter Führung von Xi Jinping gebaut wurde, wird aber gut erhalten. Sie gilt als ein Symbol und erinnert an das Stück Geschichte. Neben ihr gibt es einen Gedenkstein mit der Inschrift „Die erste Biogasgrube der Provinz Shaanxi". Von den Straßen, die damals für den Bau der Gruben erweitert wurden, profitieren die Dorfbewohner heute immer noch.