Kunming – Ein Tagungsort als Programm für eine Konferenz

2021-10-12 09:35:50

Dr. Michael Borchmann

Dr. Michael Borchmann

Am 11. Oktober 2021 fiel in Kunming der Startschuss zu einer Konferenz, deren Bedeutung gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann: Der erste Teil der 15. Tagung der Konferenz der Vertragsparteien des Übereinkommens über die biologische Vielfalt (COP15). Der zweite Teil der COP15 soll anschließend in der ersten Jahreshälfte von 2022 stattfinden. Das genannte zugrunde liegende Abkommen (kurz auch Biodiversitätskonvention genannt, Convention on Biological Diversity CBD) ist ein am 29. Dezember 1993 in Kraft getretenes internationales Umweltabkommen. Die CBD ist das wichtigste multilaterale Vertragswerk für den Schutz der Biodiversität auf der Erde. Und zur Umsetzung der Biodiversitätskonvention und ihrer Weiterentwicklung treffen sich Vertreter der Vertragsstaaten alle zwei Jahre auf einer „Conference of the Parties to the Convention on Biological Diversity - COP“. Was nunmehr dringend ansteht, ist eine Fortschreibung der bisherigen bis 2020 getroffenen Zielsetzungen für die Zeit nach 2020. Wie sehr dringend, ist bereits dem Umstand zu entnehmen, dass diese Konferenz ein Gegenstand des digitalen Dreiergipfels im vergangenen April zwischen Präsident Xi Jinping, Bundeskanzlerin Angela Merkel und Präsident Emmanuel Macron war: Man hat sich wechselseitig großes Engagement und intensive Unterstützung versprochen. Vor diesem Hintergrund hat die Bundeskanzlerin auch auf einer Pressekonferenz im Anschluss an den G7 im vergangenen Juni die Bedeutung der Zusammenarbeit aller Staaten mit China nachdrücklich unterstrichen. Und sie hat die Bedeutung in einem Podcast mit Ausblick auf Kunming nochmals mit den Worten thematisiert: „Der rasante Verlust an biologischer Vielfalt hat katastrophale Auswirkungen“. Die Artenvielfalt sei grundlegend für unsere Existenz. Doch trotz nationaler, europäischer und internationaler Gegenmaßnahmen schwinde die Biologische Vielfalt weltweit in dramatischem Ausmaß. Innerhalb der Vereinten Nationen sind die Vorarbeiten für ein neues Abkommen in vollem Gange. Der Hintergrund: Plastikmüll, Düngemittel, Flächenverlust: Die Gründe für das alarmierende Artensterben sind vielfältig. Daher zielen die Vorarbeiten der Vereinten Nationen auf Folgendes ab: Weniger Plastikmüll, weniger Düngemittel. Zu den 21 Zielen der ins Auge gefassten globalen Strategie bis 2030 gehören eine Verringerung des Einsatzes von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln und eine Verringerung von Plastikmüll. Die Umweltverschmutzung müsse auf ein Niveau vermindert werden, das der Biodiversität, der Funktion der Ökosysteme und der menschlichen Gesundheit nicht abträglich sei, heißt es weiter.Der Anstieg beim Artensterben solle gestoppt und möglichst umgekehrt werden, sehen die konkreten Ziele in dem Entwurf vor. Das Risiko des Aussterbens soll bis 2030 um mindestens zehn Prozent herabgesetzt werden, während die Zahl der bedrohten Arten abnehmen müsse.

Dass über diese Fortschreibung nun gerade in Kunming verhandelt wird, erscheint programmatisch besonders passend. So war Kunming im vergangenen Sommer in manchen Schlagzeilen zu finden, weil eine wandernde Herde der selten gewordenen asiatischen Elefanten der Stadt einen Besuch abstattete. Sogar der internationalen Nachrichtenagentur Reuters war dies einer Meldung wert. Vor allem aber ist Kunming die Hauptstadt der im Südwesten Chinas gelegenen Provinz Yunnan. Diese Provinz ist gerade durch eine sehr große Biodiversität und Artenvielfalt ausgezeichnet. So leben in Yunnan die letzten wilden Elefanten Chinas. Jedes Jahr werden nur wenige chinesische Elefanten geboren, und sie stehen unter strengem Naturschutz durch den chinesischen Staat, ebenso wie andere, selten gewordene Tierarten. Darüber hinaus hat die Provinz 166 Naturreservate eingerichtet mit dem wirksamen Schutz von Ökosystemen und bedrohten Tierarten. Dies alles geschah in einem staatlichen Rahmen, der den Bedrohungen der Biodiversität den entschiedenen Kampf angesagt hat. So begann China bereits vor mehr als einem Jahr mit entschiedenen Maßnahmen zur drastischen Reduzierung des Plastikmülls, beginnend mit dem Verbot von Plastiktüten und anderer Einwegprodukte aus Kunststoff in Läden großer Städte und einem Zeitplan für die landesweite Erweiterung dieser Verbote. In den vergangenen Jahren hat China ferner nachhaltig das Schutzsystem für wertvolle Tier- und Pflanzenarten ausgebaut. Die Zahl von Großen Pandas, Tibetischen Antilopen und Fünf-Nadel-Kiefern ist beispielsweise seit Jahren erheblich gewachsen, was ebenfalls ein wesentlicher Beitrag zur Pflege der Biodiversität ist. Und weiter ein konkretes Beispiel: Publizierten Statistiken zufolge ist die Zahl der in freier Wildbahn lebenden Pandabären in China von ungefähr 1.110 (1985 bis 1988) auf über 1.590 (1993 bis 2003) gestiegen. Bis zum 1. Dezember 2020 ist die Gesamtzahl der in Gefangenschaft gehaltenen Pandas weltweit auf 633 gewachsen. Im Jahr 2003 waren es nur 161.

Dies alles fügt sich zugleich harmonisch in der aktuellen, den 14. Fünfjahresplan Chinas ein: Während des Zeitraums dies Plans wird die Förderung der grünen Entwicklung und des harmonischen Zusammenlebens von Mensch und Natur zu einem der wichtigsten Leitprinzipien für Chinas wirtschaftliche und soziale Entwicklung gehören. Ebenso liegt diese Entwicklung in einem unübersehbaren Gleichklang mit den Gedanken in Xi Jinpings Werk „The Governance of China“. . Im dritten Band finden wir das klare Bekenntnis Xis zur Notwendigkeit einer großen Harmonie zwischen Mensch und Natur. Bereits seine ersten Worte im ersten Beitrag hierzu – „Beim Schutz der Umwelt zu beachtende Grundsätze“ - hierzu sind eindeutig: Der Schutz der Umwelt sei ein herausragendes Ziel in der zu verfolgenden Politik, zumal er für die Menschen in ihrem Wunsch nach einem besseren Leben von großer Bedeutung sei. Die nachhaltige Entwicklung sei in der nationalen Strategie ein Schwerpunkt. Und weiter heißt es: Es müsse eine harmonische Koexistenz zwischen Mensch und Natur verfolgt werden, da beide in einer untrennbaren Gemeinschaft miteinander verbunden seien. Die Umwelt sei daher wie das eigene Augenlicht zu schützen. Klare und reine Gewässer sowie grüne Berge seien ein unverzichtbarer Schatz der Menschheit. Diesen Schatz durch unverantwortliches Wachstum zu gefährden, sei nicht mehr länger hinzunehmen.

Dies alles lässt den Schluss zu: Die Veranstaltung der Konferenz in Kunming, in Yunnan, in der VR China ist zugleich ein anerkennender Tribut an die Leistungen, die Provinz und Staat für die Zielsetzung Biodiversität erbringen und erbracht haben. In der deutschen Sprache gibt es die aus dem klassischen Lateinisch übernommene Redewendung vom „Genius Loci“ - wörtlich übersetzt „der Geist des Ortes“. Politisch steht der Begriff für die Symbolik eines Verhandlungsortes, an dem bedeutende bi- oder multilaterale Verträge ausgehandelt bzw. unterzeichnet werden. Mögen also die von Biodiversität geprägte Atmosphäre Yunnans, die eine Harmonie zwischen Mensch, Natur und Umwelt verfolgende chinesische Politik fruchtbare Auswirkungen auf die Beratungen und Ergebnisse der COP 15 haben.

Dr. Michael Borchmann

Ministerialdirigent a.D. (Land Hessen), früherer Abteilungsleiter (Director General) Internationale Angelegenheiten

Mitglied des Justizprüfungsamtes Hessen a.D.

Senior Adviser der CIIPA des Handelsministeriums der VR China

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