Die USA im Bloomberg-Wunderland

2021-07-14 16:10:19

Es gibt eine schöne Kindergeschichte, geschrieben von dem britischen Schriftsteller Lewis Carroll. Die Geschichte „Alice im Wunderland“ erzählt die Erlebnisse eines kleinen Mädchens in einer „Anderwelt“, einem Wunderland, das von Paradoxien und Absurditäten nur so strotzt. Und selbst in die Medizin ist der Name des Romans eingegangen: Das Alice-im-Wunderland-Syndrom bezeichnet eine Erkrankung, bei der Patienten sich selbst oder ihre Umgebung in veränderter Weise, oft verkleinert oder vergrößert, wahrnehmen. Treffliche Parallelen zu diesem Wunderland finden sich nunmehr in einem Bericht des in New York ansässigen, dem früheren New Yorker Bürgermeister Bloomberg gehörenden Nachrichtendienst gleichen Namens. „The Best And Worst Places to Be as The World Finally Reopens“ nennt sich dieser Bericht, der in einer Ansammlung unterschiedlichster Tabellen zur Wiedereröffnung zu belegen versucht: „America First.“ Belege dafür seien Öffnungen im Inneren und nach Außen (am Rande: deutsche Wirtschaftsführer beklagen sehr, dass sie ihre Unternehmen in den USA immer noch nicht besuchen können), das Verschwinden von Masken, die Zahl der Impfungen. Sieht man dagegen die Corona-Entwicklung in einem größeren, einem Gesamtzusammenhang, so bekommt man einen Eindruck von der wirklichen Welt. Nach aktuellen Zahlen (vom 13.7.) gibt es in den USA bei ca. 331 Mio. Einwohnern bisher knapp 34 Mio. Infektionen und die schreckliche Zahl von mehr als 607.000 Todesfälle. Und China? Bei mehr als 1,4 Mrd. Menschen gibt es gerade einmal 92.000 Infektionen und 6.400 Todesfälle. Extremer kann eine Kluft in der Situation zweier Länder nicht auseinanderklaffen. Dementsprechend vermeldet das führende deutsche Statistikportal „Statista“: „Das zugrunde liegende Coronavirus hat sich mittlerweile in mehr als 190 Ländern ausgebreitet. Derzeit werden aus den USA, Brasilien, Indien und Russland die höchsten Fallzahlen gemeldet. In Europa verzeichnen Italien, Spanien, Frankreich, Deutschland und das Vereinigte Königreich die meisten Corona-Infektionen.“ Analysten machen übrigens für das Corona-Desaster der USA nicht zuletzt dessen in vielerlei Hinsicht defizitäres Gesundheitssystem verantwortlich. Und auch dieses rundet das Bild ab: China hat nicht nur intern herausragende Erfolge erzielt, sondern zugleich eine umfangreiche Hilfe für Drittländer u.a. in Sachen Impfstoff geleistet. Vor wenigen Monaten hieß es hierzu in der Neuen Zürcher Zeitung: „Weil der Westen versagt, impfen China, Russland und Indien die Welt gegen Corona. Der Westen impft zuerst die eigene Bevölkerung. Währenddessen liefern China, Russland und Indien ihre Vakzine an weniger reiche Länder.“ Und dabei ist es bis auf Indien, das aus dieser Gruppe wegen eigener Probleme ausgeschieden ist, bisher im Wesentlichen geblieben. Kürzlich las ich, dass die USA ihren 1. Platz im Ranking von Verschönerungsoperationen an Brasilien verloren habe. Das gilt wohl nur für physische Eingriffe. In Sachen nachrichtenmäßiger Verschönerung der US-Realität sind sie immer noch die Nummer 1. Siehe Bloomberg.

Dr. Michael Borchmann

Ministerialdirigent a.D. (Land Hessen), früherer Abteilungsleiter (Director General) Internationale Angelegenheiten

Mitglied des Justizprüfungsamtes Hessen a.D.

Senior Adviser der CIIPA des Handelsministeriums der VR China

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