Chinas sozialistische Demokratie - „maßgeschneidert“ für die Erfolgsgeschichte des Landes

2021-06-16 17:13:22

Die eindrucksvollen Erfolge Chinas finden weltweit große Beachtung. Sei es der Aufstieg zur weltweit zweitgrößten Wirtschaftsnation, seien es die dynamische technologische Entwicklung oder die Rolle als weltwirtschaftlich bedeutendster Wachstumstreiber, die Erfolge bei der Armutsbekämpfung und der Bekämpfung der Pandemie, das Setzen ambitionierter Klimaziele oder auch die Bereicherung der Weltgemeinschaft mit dem beeindruckenden Konjunktur- und Infrastrukturprogramm Seidenstraßeninitiative. Solche Ergebnisse lassen sich nur von einem Staat erzielen, dessen Innenleben stimmig und frei von Zerrissenheit bzw. Unzufriedenheit. Grund dieser Erfolge ist der Sozialismus chinesischer Prägung, ein System, das auch als Demokratie mit chinesischen Eigenschaften bzw. Demokratie chinesischer Prägung bezeichnet werden kann.

Der hohe Stellenwert des Demokratiegedankens, bereits im klassischen Griechenland in seiner ursprünglichen Form als „Herrschaft durch das Volk“ definiert, stand bereits am Vorabend der Gründung der VR China Pate. In der der Staatsgründung vorausgehenden ersten Plenarsitzung der Politischen Konsultativkonferenz des Chinesischen Volkes hatte man sich für den Grundsatz der Demokratie als Wesensmerkmal des neuen Staates entschieden. Man begegnete den aktuellen Herausforderungen mit einer neuen Reform- und Öffnungspolitik und setzte in den Bereichen Sozialismus und Demokratie chinesischer Prägung auf eine kontinuierliche Weiterentwicklung.

Diese Fähigkeit zur Veränderung mit Augenmaß und zur Vermeidung von ernsthaften Brüchen in der Entwicklung des Landes bewahrte China vor einem Kollabieren nach Art der Sowjetunion, durch den russische Präsidenten Wladimir Putin als „die größte geopolitische Katastrophe“ des 20. Jahrhunderts bezeichnet. Dies dürfte auch Staatspräsident Xi Jinping im Auge gehabt haben, als 2014 während eines Besuches in Europa davon sprach, dass ein westliches System politischer Parteien in China nicht funktionieren würde. Vielmehr könne die unkritische Übernahme westlicher Politikstrukturen in China in einer Katastrophe münden könne. China benötige vielmehr ein genau auf seine einmaligen historischen, kulturellen und sozialen Gegebenheiten zugeschnittenes System. Und dieses System, so Xi bei anderer Gelegenheit, ziele darauf ab, dem Wohl und Willen der Menschen Rechnung zu tragen, ihre Rechte und Interessen zu schützen, ihrer Kreativität die erforderlichen Freiräume zu schaffen und überhaupt institutionell sicherzustellen, dass das Volk uneingeschränkter Herrscher des Staates sei.

Natürlich ist es nicht zu übersehen, dass in Zeiten des von den USA immer massiver betriebenen Konkurrenzgedankens gegen China und der damit verbundenen Hetze gegen das Land auf unterschiedlichen Feldern auch das politische System Chinas zunehmend in das Fadenkreuz seiner erklärten Feinde gerät. China sei, so heißt es, eine seine Menschen unterdrückende autoritäre Diktatur, keinesfalls eine Demokratie. Dies sei – vereinfacht ausgedrückt – nur zu ändern, wenn China das liberale System des Parlamentarismus’ westlicher Prägung übernehme. Mit Verlaub, ich halte ein solche Forderung schon an sich für respektlos. Sie erinnert in fataler Weise an die Arroganz der früheren Kolonialmächte, die den unterworfenen Ländern ihre eigenen Systemvorstellungen mit der Begründung aufzwangen, nur ihr eigenes System sei vernünftig, während die in den besetzten Ländern vorgefundenen traditionellen Strukturen „Chaos“ seien.

Wie bereits angedeutet: Der Begriff Demokratie kommt aus der griechischen Sprache und bedeutet „Herrschaft des (einfachen) Volkes". Legt man nun diesen Maßstab an das System Chinas an, kann an dessen zutiefst demokratischem Charakter kein Zweifel bestehen. Das höchste staatliche Organ der VR China ist der Nationale Volkskongress, zuständig für die Verabschiedung von Gesetzen, den Haushalt, bedeutende Grundsatzentscheidungen und die wichtigen Personalentscheidungen. Und der Nationale Volkskongress ist die Vertretung der Menschen in China. Ebenso gibt es regionale und lokale Volkskongresse in den Provinzen und Autonomen Gebieten, ferner in den Städten, Gemeinden und Kreisen. Zwar werden nur die Volkskongresse auf der unteren Ebene unmittelbar gewählt, diejenigen auf Provinzebene und staatlicher Ebene durch mittelbare Wahl mittels der rangniedrigeren Volkskongresse. Aber auch eine solche mittelbare Wahl ist eine demokratische Wahl. Zum Vergleich: Der US-Präsident wird ebenfalls nicht unmittelbar durch die Bevölkerung gewählt, sondern aufgrund mittelbarer Wahl durch Wahlmänner, ohne dass die demokratische Natur einer solchen Wahl in Frage gestellt wird.

Aber nicht nur durch Wahl, sondern auch konsultativ sichert das chinesische System, dass der Wille der Menschen in hohem Maße in praktische Politik transferiert wird. Institutionalisierter Ausdruck dieser breiten Einbringung der Anliegen der Menschen in die Politik ist namentlich die Politische Konsultativkonferenz des chinesischen Volkes, die zeitgleich mit dem Nationalen Volkskongress tagt und allen anderen Parteien Chinas (neben der KPCh auch den „Acht Demokratischen Parteien und Gruppen“), Massenorganisationen und Vertretern nationaler Minderheiten Mitwirkungsmöglichkeiten an der Meinungsbildung des Nationalen Volkskongresses bietet. Die Einbindung der Bevölkerung geht in der Praxis dabei noch weit über diese institutionalisierte Form hinaus. Aktuelles Beispiel: Zur Vorbereitung des 14. Fünfjahresplanes waren sogar im Internet Stellungnahmen eingeholt worden. Aus mehr als einer Million Beiträgen von Internetnutzern waren mehr als 1.000 Meinungen und Vorschläge herausgefiltert und erörtert worden.

An dieser dominierenden Rolle des Volkes ändert sich auch nichts durch die führende Rolle der KPCh im politischen System des Landes. Denn die KPCh ist, anders als im Westen zuweilen behauptet, kein elitärer Zirkel von Herrschenden, sondern eine überwältigend große „Massenorganisation“ des Landes, die das ganze Volk in einem Maße wie keine andere Partei dieser Welt andernorts repräsentiert. Sage und schreibe knapp 92 Mio. Mitglieder zählt sie – Mitglieder aus allen Bevölkerungsschichten wie Arbeiter, Bauern, Studenten, Wissenschaftler, Rentner, Wirtschaftspersonen und Beamte, Männer und Frauen, ebenso Angehörige der vielen Nationalen Minderheiten. Und in der Verfassung ihrer Partei sind alle Mitglieder verbindlich verpflichtet, an der Weiterentwicklung der Demokratie mitzuarbeiten und ihr Hauptaugenmerk auf das Wohl des Volkes zu richten.

Eingangs hatte ich einige der Aufsehen erregenden Erfolge Chinas genannt. Diese sind das Ergebnis seines abgewogenen politischen demokratischen Systems, in das zudem ein hohes Maß an wissenschaftlicher Expertise einfließt. Und es vermittelt Kontinuität, keine „Wechselbäder“ politischer Richtungskämpfe, wie andernorts nach Wahlen zu beobachten ist. Zudem habe ich den Eindruck, dass es in China eine hohe Akzeptanz und Zufriedenheit mit diesem System gibt. Das entnehme ich zahlreichen auch sehr vertraulichen Gesprächen mit chinesischen Freunden. Wenn hier einmal Besorgnis, Verärgerung oder Trauer zum Ausdruck kommt, so darüber, dass oft im Westen das chinesische System „schlechtgeredet“ und verunglimpft wird. Eine solche Zufriedenheit mit dem bestehenden politischen System und den agierenden Parteien ist im Westen nicht unbedingt zu erkennen: Der Trend zu populistischen Parteien dürfte vielmehr Ausdruck einer wachsenden Unzufriedenheit mit dem System sein.

Dr. Michael Borchmann

Ministerialdirigent a.D. (Land Hessen), früherer Abteilungsleiter (Director General) Internationale Angelegenheiten

Mitglied des Justizprüfungsamtes Hessen a.D.

Senior Adviser der CIIPA des Handelsministeriums der VR China

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