Vor einigen Tagen wurde vermeldet, dass die Jahreskonferenz des Boao Forum for Asia (BFA) am vergangenen Mittwoch in der südchinesischen Inselprovinz Hainan mit einem Konsens über die gemeinsame Bekämpfung der COVID-19-Pandemie und die Stärkung der globalen Governance zu Ende gegangen sei. Und das, was in den Tagungstagen zwischen dem 18. und 21. April Bedeutendes geschehen ist, kann nicht hoch genug eingeschätzt werden.
Werfen wir zunächst einmal einen Blick auf die formale Seite. Das Forum konnte in diesem Jahr den 20. Jahrestag seines Bestehens feiern. Die 2001 ins Leben gerufene globale Wirtschaftsplattform stellte damals – aus europäischer Sicht – gewissermaßen ein asiatisches Gegenstück zum jährlichen Weltwirtschaftsforum im schweizerischen Davos dar. Ihre Zielsetzung: Vertiefung des regionalen wirtschaftlichen Integrationsprozesses in Asien und Förderung der wirtschaftlichen Zielsetzungen der asiatischen Staaten. Aber nicht dieser „Geburtstag“ ist das eigentlich Bemerkenswerte, sondern der Umstand, dass es sich in Zeiten der Pandemie um das erste bedeutende Forum handelte, das weitestgehend „offline“ stattfand. Dies ist ein beeindruckender Beweis dafür, mit welcher Entschlusskraft und Effizienz das Gastgeberland China die Pandemie in den Griff bekommen hat. Mehr als 2.600 Personen aus über 60 Ländern und Regionen haben teilgenommen, darunter Regierungsvertreter, Unternehmer und Wirtschaftswissenschaftler. Zudem haben mehr als 1.200 Journalisten von 160 Medien aus 18 Ländern und Regionen sich an der Konferenz beteiligt. Und dann war da auch noch die große Gruppe der digitalen Teilnehmer, und zwar hochrangige staatliche Vertreter ebenso wie Repräsentanten internationaler Organisationen und Wirtschaftsführer. Treffend bewertete Robert Holzmann, Gouverneur der Österreichischen Nationalbank (ÖNB), die diesjährige Tagung in ihrem Vorfelde wie folgt: „Das BFA ist nach 20 Jahren ein weltweit anerkanntes Treffen geworden. Und das Wichtigste ist, dass das Boao-Forum das erste Treffen weltweit ist, wo so viele Leute wieder physisch zusammen kommen. Denn alle Treffen waren in den letzten 18 Monaten nur elektronisch möglich. Und das wird das erste Treffen sein, wo da Mehrzahl der Leute physisch zusammen kommt.“ Daher war die Durchführung der Veranstaltung überhaupt ein außerordentlich starkes und kraftvolles Zeichen in einer Zeit geprägt von großer Unsicherheit: Das Ende der COVID-19-Pandemie ist immer noch nicht in Sicht; die globale Wirtschaft leidet nach wie vor und drängende Herausforderungen im Bereich des Klimawandels verlangen nach Lösungen.
Thema des BFA 2021 war „A World in Change: Join Hands to Strengthen Global Governance and Advance Belt and Road Initiative (BRI) Cooperation“, also: „Eine Welt im Wandel: Gemeinsam die Global Governance stärken und die Seidenstraßeninitiative voranbringen“. Das Beratungsgerüst bildeten sechs Themenschwerpunkte wie „China verstehen“ (gerade vor dem Hintergrund der Erfolge Chinas bei der Pandemiebekämpfung und der dynamischen Wiederbelebung der Wirtschaft), „Behandlung des globalen Wandels und der asiatischen Entwicklung“, „Kooperation im Rahmen der Seidenstraßeninitiative“, „Industrielle Reformen“, „Neue Technologien“ und die „Gemeinsame Entwicklung der Menschheit“. Für diese Themenpalette waren 44 Unterforen und zudem „Runde Tische“ angesetzt.
Und die dem Forum vorliegenden Daten des BFA-Jahresreportes waren glänzend. Belegt wurde, dass trotz pandemiebedingter Einbrüche die Wirtschaft Asiens deutlich besser als in anderen Teilen der Welt abgeschnitten hat. Dies hat dazu geführt, dass der Anteil von Asiens Wirtschaft an der weltweiten Wertschöpfung um 0,9 % gegenüber dem Vorjahr zugelegt und inzwischen einen Anteil von 47,3 % an der weltweiten Wertschöpfung erreicht hat – eine weitere Zunahme des globalen Stellenwertes Asiens. Einen besonderen Anteil hieran hatte natürlich China mit einem BSP-Zuwachs von 2,3 % im Pandemiejahr 2020 und von 18,3 % im ersten Quartal 2021. Der Report bestätigte auch die intensive Weiterentwicklung des asiatischen wirtschaftlichen Integrationsprozesses. Aktuell haben Asiens Staaten 186 regionale Handelsabkommen intern und auch mit Außenbeziehungen abgeschlossen, sind also an deutlich mehr als 50 % der regionalen Handelsabkommen weltweit beteiligt. Dementsprechend sind auch die Prognosen für 2021 ausgesprochen freundlich. Für die asiatische Wirtschaft insgesamt rechnet man mit einer Wachstumsrate von mehr als 6,5 %.
In seiner Eröffnungsrede zu dem diesjährigen Forum hat Chinas Staatspräsident Xi Jinping die Schlüsselrolle gerade auch des diesjährigen Forums deutlich gemacht. Das Thema seiner Grundsatzrede war: „Gemeinsam die Schwierigkeiten bewältigen und im Rahmen einer Schicksalsgemeinschaft die Zukunft schaffen“. Er betonte, China habe seine Reform und Öffnung ständig vertieft und die regionale Zusammenarbeit aktiv gefördert, um gemeinsam mit Asien Fortschritte zu erzielen und sich gemeinsam mit der Welt zu entwickeln. Das BFA habe die außergewöhnlichen Erfahrungen Chinas, Asiens und der Welt bezeugt und wichtigen Einfluss sowie Antriebskraft zur Förderung der Entwicklung Asiens und der Welt gehabt. Und er erneuerte sein Bekenntnis zu einer Welt des friedlichen Dialogs aller miteinander statt egoistischem Hegemoniestreben, zu einer Welt des gemeinsamen Gewinnes aller statt einseitiger Fokussierung auf das eigene Land. Xi machte zugleich den hohen Stellenwert der Seidenstraßeninitiative deutlich, die ja zu den zentralen Themen des diesjährigen BFA zählte. In dieser Zeit hätten Züge zwischen China und Europa eine große Menge an Materialien zur Pandemieprävention in die Länder entlang der Strecke geliefert. Chinesische Impfstoffe kämen weiterhin in Ländern entlang der Route an, um lebensrettende Hilfe zu liefern. Chinesische Unternehmen führten auch eine gemeinsame Produktion von Impfstoffen in Indonesien, Brasilien, den Vereinigten Arabischen Emiraten, der Türkei und anderen Ländern durch, um Impfstoffe als erschwingliche und öffentlich zugängliche Produkte für alle zu fördern. Gleichzeitig hätte die Seidenstraßeninitiative auch die Wirtschaft der Länder entlang der Route angekurbelt.
Und: Um trotz all dieser für sich schon beeindruckenden Fakten die wirkliche Bedeutung des diesjährigen BFA ermessen zu können, sollte auch sein aktuelles Umfeld nicht außerhalb der Betrachtung bleiben. Und dieses Umfeld wird im besonderen Maße geprägt durch den Abschluss des Abkommens über die Regionale Umfassende Wirtschaftspartnerschaft (RCEP), das größte Handelsabkommen der Welt, das von China und 14 anderen Volkswirtschaften im November 2020 unterzeichnet und von China, Singapur und Thailand bereits ratifiziert wurde. Die vollständige Ratifizierung des RCEP wird bedeuten, dass die Volkswirtschaften der 15 Mitglieder, die zusammen ein Drittel der globalen Wirtschaftsleistung ausmachen, einen einheitlichen, riesigen und dynamischen Markt mit einem enormen Potenzial und einer Gesamtbevölkerung von 2,27 Milliarden Menschen bilden werden. Voraussichtlich wird das Abkommen am 1. Januar 2022 in Kraft treten.
Nicht zuletzt auch vor diesem Hintergrund kommentierte der frühere Generalsekretär der Vereinten Nationen, Ban Ki-moon, das „Jubiläums-BFA“ 2021 mit folgenden einfühlsamen wie zutreffenden Worten: „Das Einzige, was sich in dieser Welt nicht verändert, ist der ständige Wandel selbst. Das BFA hat sich gewandelt, wandelt sich und wird sich weiterhin wandeln, um den Herausforderungen der Zukunft zu begegnen. Aber eines wird sich nie ändern: Die Kraft von Kooperation und Zusammenarbeit. Die Kraft des BFA wurzelt in der Zusammenarbeit seiner 29 Gründungsstaaten, seiner Organe. Sein finales Ziel ist die wirtschaftliche Integration Asiens. Die gemeinsame, geteilte Zukunft von Asien und der Welt insgesamt kann nur sichergestellt werden durch enge und Win-Win-Kooperation von uns allen. Das war in den vergangenen 20 Jahren so und wird in den nächsten 20 Jahren sowie darüber hinaus der Fall sein.“ Dem ist nichts hinzuzufügen.
Dr. Michael Borchmann
Ministerialdirigent a.D. (Land Hessen), früherer Abteilungsleiter (Director General) Internationale Angelegenheiten
Mitglied des Justizprüfungsamtes Hessen a.D.
Senior Adviser der CIIPA des Handelsministeriums der VR China