„Impfstoff-Nationalismus“ verschlingt das Leben

2021-04-26 16:35:44

Vier Tage in Folge sind die täglichen neuen COVID-19-Infektionen in Indien auf mehr als 300.000 gestiegen. Knappheit der Medikamente, Mangel an Impfstoffen und Haufen von Leichen in Leichenkammern und Krematorien. Zahlreiche Indische Bürger müssen jetzt die Leichen ihrer Familienangehörigen selbst kremieren.

Vor dem immer größeren internationalen Druck hat die US-Regierung am Sonntag endlich in einer Erklärung gemeint, dass die USA Indien medizinische Ressourcen, darunter auch Rohstoffe zur Herstellung der Impfstoffe, gewähren würden. Allerdings sind indische Internetnutzer mit dieser verzögerten Stellungnahme von Washington nicht zufrieden. Sie werfen den USA vor, dass ihr Exportverbot Indien schwer geschädigt habe, und ihre verzögerte Handlungsweise von einem Mangel am Mitleid geprägt sei. Solche Internetnutzer betonten ferner, „Indien wird die Kaltblütigkeit der USA während des bedürftigen Moments für Indien nicht vergeben.“

Im April 2020 hatte die vergangene US-Regierung gemäß ihrer „America First“ Politik Beschränkungen zum Export der Rohstoffe für die Produktion der Impfstoffe verhängt. Nach dem Amtsantritt hat Biden diese Politik weiterhin verfolgt. Dies hat die Impfstoffproduktion in Indien in eine Krise durch Herstellungsstopp versetzt.

Die Indifferenz und Eigensucht sind furchtbarer als das Virus. Der „Impfstoff-Nationalismus“ ist bereits zum „Haupthindernis“ der globalen solidarischen Pandemiebekämpfung geworden.

Obwohl Indien zu den wichtigsten Impfstoffherstellungsquellen weltweit gehört, sind bis jetzt nur 8,6 Prozent der Bevölkerung des ganzen Landes mit mindestens einer Vakzin-Dose geimpft worden. Die Situation in anderen unterentwickelten Ländern ist noch schlechter. Im Vergleich dazu macht der Anteil der Geimpften in den USA 41 Prozent, in Großbritannien 50 Prozent und in Israel 61 Prozent aus.

Aufgrund der unfairen Teilung der Impfstoffe werden die Bevölkerungen der armen Länder noch schwerer von der Pandemie gefährdet. Laut einem Bericht der amerikanischen Duke University könnten die USA bis Juli über mehr als 300 Millionen Impfstoffdosen verfügen, was bedeutet, dass das Angebot größer als die Nachfrage sein könnte.

Vor kurzem hat Pandemieexpertin Ingrid Katz von der Harvard Medical School gemeinsam mit mehreren medizinischen Spezialisten in einem Beitrag in der Zeitschrift „The New England Journal of Medicine“ den Impfstoff-Nationalismus als „kurzsichtig, wirkungslos und tödlich“ kritisiert. Die Autoren wiesen ferner darauf hin, dass die unfaire Teilung der Impfstoffe die grundlegende Frage zurzeit sei, was hauptsächlich darauf zurückzuführen sei, dass die Impfstoffe und andere wichtige medizinische Materialien als Waren und nicht als öffentliche Produkte betrachtet würden.

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