„Überraschender Klimagipfel mit Merkel, Macron und Xi“ – so vermeldeten es Nachrichtenagenturen am 15. April 2021, und weiter: „Deutschland, Frankreich und China werden am Freitag bei einem virtuellen Gipfeltreffen über ihre Ziele in der Klimapolitik beraten.“ Die anschließenden Beratungen erfolgten eine Woche vor dem virtuellen Klimagipfel, zu dem der neue US-Präsident Joe Biden zum 22. und 23. April 2021 insgesamt 40 Staatsführer eingeladen hatte.
Dass die deutsche Bundeskanzlerin und der französische Präsident sich gerade mit Staatspräsident Xi Jinping vorabgestimmt haben, macht objektiv betrachtet wirklich Sinn, wenn man einen Blick auf die profilierte Rolle Chinas in Sachen Klimaschutz wirft. Erinnern wir uns: In die weltweiten Medienschlagzeilen gelangte Xi Jinping namentlich anlässlich der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom September vergangenen Jahres Nationen, als er verkündete, sein Land wolle seine Klimaziele verschärfen: „Unser Ziel ist es, den Höhepunkt der CO2-Emissionen vor 2030 zu erreichen und CO2-Neutralität vor 2060“. Und dieses Bekenntnis hat tiefe Wurzeln in der chinesischen Politik. Xi hat mehrmals betont, dass der Schutz der Umwelt ein herausragendes Ziel in der zu verfolgenden Politik sei, zumal er für die Menschen in ihrem Wunsch nach einem besseren Leben von großer Bedeutung sei.
Und die Resonanz auf die Dreierkonferenz war sehr positiv. Man tauschte dabei untereinander die Meinungen über die Zusammenarbeit bei der Bekämpfung des Klimawandels, die chinesisch-europäischen Beziehungen, die Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der COVID-19-Pandemie sowie über wichtige internationale und regionale Fragen aus. Xi Jinping unterstrich, dass er den Aufbau einer Gesellschaft mit gemeinsamer Zukunft für die Menschheit unterstütze und bereit sei, die Zusammenarbeit mit Frankreich und Deutschland bei der Reaktion auf den Klimawandel zu stärken. Er bestätigte, dass China vorsehe, seine Kohlenstoffemissionen bis 2030 ihren Höchststand erreichen zu lassen und bis 2060 dann Klimaneutralität anzustreben. China werde das Erreichen seiner Kohlenstoffemissionen und die Klimaneutralität in den Gesamtplan des ökologischen Zivilisationsaufbaus integrieren und eine grüne, kohlenstoffarme, nachhaltige Wirtschaftsentwicklung umfassend fördern. Frankreichs Präsident Macron sagte, Frankreich begrüße die Ankündigung Chinas, bis 2060 Kohlenstoffneutralität anzustreben. Frankreich sei bereit, mit China zusammenzuarbeiten, um die weitere Entwicklung der französisch-chinesischen und europäisch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen zu fördern und gemeinsam Afrika zu einer grünen Entwicklung zu helfen. Auch die deutsche Bundeskanzlerin begrüßte die Pläne Chinas. Darüber hinaus warb man für zusätzliche gemeinsame Anstrengungen zum Schutz der Biodiversität bei der für Oktober geplanten 15. Vertragsstaatenkonferenz zur Biodiversitätskonvention in der chinesischen Stadt Kunming. Insgesamt waren sich die drei Staats- und Regierungschefs einig, den Multilateralismus aufrechtzuerhalten, das Pariser Abkommen vollständig umzusetzen, gemeinsam ein faires und vernünftiges globales Klima-Governance-System mit einer Win-Win-Kooperation aufzubauen und ein positives, ausgewogenes und pragmatisches Ergebnis des Klimagipfels der Staats- und Regierungschefs zu fördern. Der klimapolitische Dialog und die Zusammenarbeit im Bereich der grünen Entwicklung sollten verstärkt werden und die Reaktion auf den Klimawandel solle zu einer wichtigen Säule der Zusammenarbeit zwischen China und der EU werden. Die Deutsche Welle titulierte treffend: „Prima Klima beim Videogipfel von Merkel, Macron und Xi.“ Oder mit den Worten einer deutschen Tageszeitung: „In die diplomatischen Bemühungen zum Klimaschutz kommt neuer Schwung. Nach einer Videokonferenz mit Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping äußerte sich Kanzlerin Angela Merkel gemeinsam mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron am Freitag positiv über die chinesischen Klimaziele.“
Aber nicht nur die Abstimmung zwischen China, Frankreich und Deutschland in Sachen Klimaschutz ist als positives Signal zu werten, sondern wohl das Gespräch überhaupt. Dies meine ich vor dem Hintergrund der unschönen Wolken, die jüngst das Verhältnis zwischen der Europäischen Union und China eingetrübt haben. Ich meine die für einen objektiven Betrachter nicht nachvollziehbaren Sanktionen, einen schlichtweg „unfreundlichen Akt“ gegenüber China. Aber nicht nur ein unfreundlicher Akt gegenüber China, sondern zugleich ein Handeln der EU gegen ihre eigenen Interessen. Mir fiel dieser Tage die Abhandlung eines habilitierten Berliner Politikwissenschaftlers in die Hand, in der es heißt: „Die Folgen von deutscher und europäischer Außenpolitik, speziell auch die Verhängung von Sanktionen, werden nicht ausreichend antizipiert und öffentlich debattiert. Deutschland braucht einen Paradigmenwechsel im Umgang mit China, der den Einfluss Chinas in der Weltpolitik angemessen berücksichtigt und smarte, anstelle von konfrontativen Strategien entwickelt, um Europa wieder mehr weltpolitische Einflussmöglichkeiten zu erschließen.“ Möge der digitale Dreiergipfel ein Signal für eine zügige Rückkehr der EU zu Sachlichkeit und Vernunft in den Beziehungen zu China sein.
Dr. Michael Borchmann
Ministerialdirigent a.D. (Land Hessen), früherer Abteilungsleiter (Director General) Internationale Angelegenheiten
Mitglied des Justizprüfungsamtes Hessen a.D.
Senior Adviser der CIIPA des Handelsministeriums der VR China