„17+1 kann mehr sein als 18“ – so geht gelebter Multilateralismus!

2021-02-10 09:48:43

„So geht Medien“ heißt ein Format eines regionalen deutschen Fernsehsenders, in dem die Handhabung von Medien exemplarisch erläutert wird. Und „So geht das“ heißt eine deutsche Buchveröffentlichung, in der mehr als 500 Dinge des Lebens entsprechend erklärt werden. Eine anschauliche Unterrichtung über „So geht Multilateralismus“ präsentierte aktuell am 9.2.2021 der Gipfel zwischen China und den mittel- und osteuropäischen Ländern (MOEL - Albanien, Bosnien und Herzegowina, Bulgarien, Kroatien, Tschechien, Estland, Ungarn, Lettland, Litauen, Mazedonien, Montenegro, Polen, Rumänien, Serbien, Slowakei and Slowenien) sowie Griechenland per Videokonferenz unter Vorsitz von Staatspräsident Xi Jinping in Beijing. Diese Treffen – bekannt unter den Begriffen China-CEEC (CEEC für Central and Eastern European Countries) oder auch 17+1 – haben nunmehr bereits eine fast zehnjährige Geschichte. Als 16+1-Kooperationsformat wurde 2012 die Plattform zur Förderung der Zusammenarbeit zwischen 16 mittel- und osteuropäischen Ländern und China eingerichtet - nicht zuletzt vor dem Hintergrund der damaligen europäischen Finanz- und Schuldenkrise und der darunter im besonderen Maße leidenden MOEL. Sie intensivierte die Zusammenarbeit in den Bereichen Verkehr, Finanzen, Wissenschaft, Bildung und Kultur und wurde 2013 auch mit der Seidenstraßeninitiative verknüpft. Gipfel fanden in der Folgezeit – mit pandemiebedingter Ausnahme 2020 - jährlich statt, wobei sich seit 2019 durch den Beitritt Griechenlands das Format in 17+1 gewandelt hat.

Auch wenn die 17+1-Kooperation wenig Schlagzeilen in der Presse im westlichen Europa macht, ist sie doch eine bemerkenswerte Erfolgsgeschichte. Mit Fug und Recht konnte daher Staatspräsident Xi Jinping bei der Eröffnung des jetzigen Gipfels in Beijing unterstreichen: In der Überzeugung, dass 17+1 mehr als 18 bedeuten könne, habe man ein vielschichtiges Kooperationsnetzwerk aufgebaut, geleitet durch die Gipfelkonferenzen und ausgestattet mit einem umfassenden Unterbau auf Arbeitsebene. Und das erfolgreiche und weiter vielversprechende Werk vermittle für alle Beteiligten sehr gute Perspektiven für eine wirtschaftliche Erholung und neue Dynamik nach der Pandemie, nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Rückkehr Chinas in die wirtschaftliche Erfolgsspur und der mit Nachdruck betriebenen weiteren Öffnung. Überhaupt sei die Zusammenarbeit zwischen China und den 17 mittel- und osteuropäischen Ländern eine gelebte Praxis des Multilateralismus.

Dass solche Prognosen auf einem soliden Fundament stehen, beweisen alleine die Zahlen aus dem Pandemiejahr 2020. So überschritt Chinas Handelsvolumen mit den 17 MOEL im vergangenen Jahr erstmals die 100 Mrd. USD Grenze (103,45 Mrd. USD), ein Zuwachs gegenüber dem Vorjahr von 8,4%. Und seit dem Start 2012 stieg das Handelsvolumen mit den MOEL jährlich um ca. 8%, mehr als mit der EU und der restlichen Welt. Chinas FDI, u.a. in den Bereichen Energie, Infrastruktur, Verkehr und Automotive, in den MOEL beliefen sich auf 3,14 Mrd. USD, während die MOEL andererseits 1,72 Mrd. USD in China investierten. Und schließlich belief sich die Zahl der Frachtzüge zwischen China und Europa in dem pandemiegeprägten Jahr auf 12.400, hierbei waren insbesondere Stationen in Polen, Ungarn, Litauen, die Slowakei und Tschechien berührt. Nicht unerwähnt bleiben sollte, dass einen großen Anteil der Frachten medizinische Schutzausrüstungen und sonstige dringend benötigten medizinischen Hilfsgüter für die MOEL ausmachten.

Aber: Welche Dimension dem 17+1-Format wirklich zukommt, hat sich mir vor allem erschlossen, als ich die auf der Website des chinesischen Außenministeriums zu findende Zusammenstellung der Aktivitäten in den ersten fünf Jahren des Bestehens (2012-2017) anschaute. Kooperationsplattformen zu politischer Koordination, Wirtschaft und Handel, Kultur, Bildung, Landwirtschaft, Transport, Tourismus, Gesundheit, Think Tanks, kommunaler und regionaler Austausch und Jugend waren zu finden, insgesamt ca. 200 Aktivitäten. Aktivitäten, die alle denkbaren Teile und Interessen zusammenwachsen lassen, wie etwa eine Kommunikationsplattform von Richtern der Obergerichte oder auch Nischeninteressen wie etwa „Kampfkünste auf der Seidenstraße“. Besonders hervorheben möchte ich gerade auch die Kooperation auf städtischer und Provinzebene, institutionalisiert durch entsprechende Gesprächsforen. Ergebnis sind bereits 212 Städte- und Provinz-Freundschaften, die die freundschaftlichen Beziehungen und das wechselseitige Verständnis tief in der Bevölkerung verankern. Welchen Stellenwert man dem beimisst, zeigt sich u.a. daran, dass dem jetzigen Gipfel das 5. Gipfeltreffen der Lokalregierungen Chinas und der MOEL am 5.2.2021 in der Stadt Shenyang (Liaoning) vorgeschaltet war. Vertreter von 22 chinesischen Provinzen, autonomen Gebieten und regierungsunmittelbaren Städten sowie 53 Vertreter von Lokalregierungen der 17 MOEL berieten dabei über das Hauptthema „Ein gemeinsames Schicksal teilen und die Entwicklung gemeinsam fördern“. Und China dokumentierte zudem durch kreative Begleitveranstaltungen, wie sehr ihm diese Kooperation am Herzen liegt, sei es durch das Thema der diesjährigen Eis- und Schneewelt in Harbin in der Provinz (Heilongjiang) „17+1 Kooperation“ mit herausragenden Gebäuden der MOEL, seien es Livestream-Verkäufe ausgezeichneter Importwaren aus mehreren mittel- und osteuropäischen Ländern (MOEL) am Vortage des Gipfels.

Alles in allem wird deutlich, zu welchen fruchtbaren Ergebnissen die 17+1 Kooperation führt. Es ist ein Projekt, das gerade die MOEL und Griechenland zu steigender wirtschaftlicher Kraft führen wird. Daher ist es nur erfreulich, dass sich die Gipfelteilnehmer einig waren, die Aktivitäten in den Bereichen Handel und Investitionen, Gesundheit, neue Technologien, Energie, Kultur, nachhaltige Entwicklung und Bildung weiter auszubauen und die Frequenz der Treffen von Unterforen weiter zu erhöhen. Dies alles liegt namentlich auch im Interesse der EU, der an einer Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in ihren Mitgliedstaaten gelegen ist. Daher ist das gelegentlich gesäte Misstrauen, das Projekt ziele auf eine Spaltung der EU ab, absurd – gerade auch vor dem Hintergrund des jüngsten EU-China-Investitionsabkommens. Wer solches Misstrauen zu säen versucht, ist entweder ein Ignorant oder ein williges Werkzeug finsterer Kräfte, die Chinas Öffnungspolitik „miesmachen“ wollen – und zwar um jeden Preis.

Dr. Michael Borchmann

Ministerialdirigent a.D. (Land Hessen), früherer Abteilungsleiter (Director General) Internationale Angelegenheiten

Mitglied des Justizprüfungsamtes Hessen a.D.

Senior Adviser der CIIPA des Handelsministeriums der VR China

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