In dem Artikel „Strategic autonomy or strategic alliance?“ von Maria Demertzis hat die stellvertretende Direktorin der europäischen Denkfabrik Bruegel argumentiert, dass eine europäisch-amerikanische Allianz gegen China nicht machbar sei.
Es ist seit langem der Mainstream-Konsens in der europäischen Politik und Wissenschaft, sich zu weigern, dass Europa sich mit den Vereinigten Staaten verbündet, um China einzudämmen. Die antichinesischen Kräfte auf der anderen Seite des Atlantiks ignorieren jedoch immer noch die Realität und träumen davon, mit ihren traditionellen europäischen Verbündeten gemeinsam gegen China zusammenzuarbeiten. In einem anonymen Bericht, der von einer US-Denkfabrik veröffentlicht wurde, wurde die Biden-Regierung aufgefordert, sich mit ihren wichtigsten Verbündeten abzustimmen und ihre Position gegenüber China zu vereinheitlichen. Der Bericht löste nach seiner Veröffentlichung einen Chor aus Buhrufen aus.
Die EU hat ihre eigenen Interessen und strategischen Ausrichtungen im Umgang mit internationalen Angelegenheiten. Es ist unvermeidlich, dass sie den USA nicht folgen will. Nach dem Ende des Kalten Krieges hat die EU in allen Bereichen erheblich an Stärke gewonnen. Zusätzlich zu den häufigen Handelskonflikten haben die Vereinigten Staaten verschiedene Instrumente eingesetzt, um den Euro zu unterdrücken, die Osterweiterung der NATO zu fördern, ein Pro-US-Lager innerhalb Europas zu schaffen und die europäischen Länder zu spalten. In den vergangenen Jahren hat die Trump-Regierung die USA weiter auf den Weg des Unilateralismus geführt, was es für Europa noch notwendiger gemacht hat, „sein Schicksal selbst in die Hände zu nehmen“. In den vergangenen Wochen kam es zu einem COVID-19-Impfstoff-Fiasko, durch das die EU in Bezug auf die Impfquote gegen das neuartige Coronavirus aktuell weit hinter den Vereinigten Staaten und Großbritannien zurückliegt. Die Logik, nicht mit den Verbündeten in einem Boot sitzen zu wollen, aber von ihnen zu erwarten, dass sie für einen kämpfen, wird nur von US-Politikern verfolgt, die an „politischem Infantilismus“ leiden.
Der Präsident des Europäischen Rates, Charles Michel, sagte, die EU solle eine stabilisierende und konstruktive Rolle in der Welt spielen. Einige US-Politiker träumen aber davon, dass Europa nur das tun, was man ihm sagt und keine strategische Autonomie besitzt. Was hat es also für einen Sinn, über souveräne Unabhängigkeit zu reden? Ist Europa, dem es offenbar an souveräner Unabhängigkeit mangeln soll, ein Verbündeter oder ein Vasall der Vereinigten Staaten?