Die New Yorker Börse NYSE verkündete in einer am späten Montag auf ihrer Webseite veröffentlichten Erklärung, von der Umsetzung eines Delistings von China Mobile, China Unicom (Hongkong) und China Telecom Abstand zu nehmen. Zuvor hatte die Börse am 31. Dezember 2020 angekündigt, die Börsennotierung der drei genannten chinesischen Unternehmen einzustellen. Edison Lee, Leiter der Forschungsabteilung für den Telekommunikationssektor des Finanzdienstleisters Jefferies, sprach von „der seltsamsten Serie von Ereignissen“, die er während seiner Karriere in den USA beobachtet habe.
Mit diesem Schritt hat die NYSE ihre ursprüngliche Entscheidung rückgängig gemacht. Hinter diesem Entschluss müssen verschiedene Überlegungen stecken, aber eines ist sicher: Wäre das ursprüngliche Vorhaben eines Delistings wirklich umgesetzt worden, hätte dies der NYSE und den Interessen der USA weitreichenden Schaden zugefügt.
Erstens werden die drei chinesischen Telekommunikationsanbieter seit zwei Jahrzehnten an der New Yorker Börse durch die Ausgabe von American Depositary Receipts (ADR) gehandelt und erfüllen die Regeln und regulatorischen Anforderungen des US-Wertpapiermarktes. Würde die NYSE aufgrund einer rein politisch motivierten Durchführungsverordnung gegen legal und regelkonform handelnde Unternehmen vorgehen, hätte dies unweigerlich eine ernsthafte Störung der normalen Regeln und der Ordnung des Marktes zur Folge, die ihrerseits die legitimen Rechte und Interessen globaler Investoren verletzen und darüber hinaus das Vertrauen globaler Unternehmen und Investoren in die NYSE untergraben würden.
Zweitens wären die Auswirkungen eines Delistings auf die betroffenen chinesischen Unternehmen nur begrenzt. Laut Angaben der chinesischen Wertpapieraufsichtsbehörde ist der Gesamtumfang der ADRs der drei chinesischen Unternehmen mit einer kombinierten Marktkapitalisierung von weniger als 20 Milliarden RMB und einem maximalen Anteil von nur 2,2 Prozent des gesamten Eigenkapitals der drei Unternehmen gering. „Diese chinesischen Unternehmen sind Cashflow-Maschinen und brauchen weder neues Geld aus den USA noch aus anderen Regionen“, wie Peter Milliken, Leiter der Rechercheabteilung Telekommunikation Asien-Pazifik bei der Deutschen Bank, erklärte. Selbst wenn die Börsennotierung aufgehoben würde, wären die direkten Auswirkungen auf die Entwicklung der Unternehmen und das Funktionieren des Marktes „recht begrenzt“.
Noch wichtiger ist aber, dass die Einhaltung der Regeln die Grundlage für den Status der USA als internationaler Finanzstandort bildet. Die Entscheidung, chinesische Unternehmen von der Börse auszuschließen, erscheint daher kurzsichtig und hätte weitaus negativere Auswirkungen für die USA, als diese möglicherweise erwarten.
Gegenwärtig stehen die chinesisch-amerikanischen Beziehungen erneut an einem Scheideweg. Nur wenn sich beide Nationen in dieselbe Richtung bewegen, kann ein „neues Fenster der Hoffnung“ geöffnet werden. Respekt vor den Regeln des Marktes, Achtung der Rechtsstaatlichkeit und Schutz der legitimen Rechte und Interessen von Investoren – ein Bekenntnis zu diesen Standpunkten sollte für beide Seiten eine weise Entscheidung sein.