„Was er nach seiner Amtszeit hinterlassen hat, ist ein Amerika in Trümmern - eines, das seit dem Bürgerkrieg nicht mehr so gespalten war“. Dieser Satz entstammt einem Artikel der französischen Zeitung Le Figaro vom Juni des laufenden Jahres, der eine Übersicht der aktuellen Krisen in den USA bot. Dort heißt es unter anderem, dass die politische Orientierung des US-Präsidenten zur Entstehung eines „gespaltenen amerikanischen Staates“ geführt habe. Sechs Monate später, und vor allem angesichts des Chaos bei den US-Wahlen, erscheint dieses Urteil durchaus nicht übertrieben.
Die USA sind derzeit von vielen chaotischen Elementen gekennzeichnet: eine außer Kontrolle geratene Epidemie, Gewalt auf der Straße und Konfrontationen zwischen den politischen Parteien, um einige Punkte zu nennen. Das Jahr 2020 nähert sich dem Ende, doch der schmerzende Riss durch die amerikanische Gesellschaft setzt sich unvermindert fort. Die Nachrichtenagentur Reuters kommentierte, dass „ein gespaltenes Amerika schwer zu heilen sei“.
Hierbei steht die sich immer weiter vergrößernde Kluft zwischen Arm und Reich an erster Stelle. Die jüngste Studie des Pew Research Center aus diesem Jahr zeigt, dass die Einkommensungleichheit in den USA unter den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie noch weiter zugenommen hat. Die Schere zwischen Vermögenden und Armen ist in den USA atemraubend, was letztlich eine Aushöhlung der sozioökonomischen Grundlagen der amerikanischen Demokratie bedeutet.
Laut eines Ende November vom Institute for Policy Studies (IPS) veröffentlichten Berichtes stieg das kombinierte Vermögen der 650 reichsten US-Milliardäre seit dem Ausbruch der Epidemie in den USA im März bis zum 24. November um mehr als 1 Billion US-Dollar auf nunmehr knapp 4 Billionen US-Dollar. Im krassen Gegensatz dazu mussten gewöhnliche amerikanische Familien unter den Auswirkungen der ineffizienten Vorgehensweise der US-Regierung im Umgang mit COVID-19 leiden, während sich eine schwere Finanzkrise ankündigte und Dutzende Millionen Menschen Arbeit und Einkommen verloren.
Diese Zahlen können eine Seite des Ursprungs der großen Wut innerhalb der amerikanischen Gesellschaft und des Vormarsches des Populismus erklären. Insbesondere das Schrumpfen der Mittelschicht, dem Stabilisator der US-Gesellschaft, auf weniger als 50 Prozent hat die soziale Basis der amerikanischen Demokratie stark geschwächt und die politische Polarisierung in den Vereinigten Staaten verschärft.
Die wachsende Kluft zwischen Armen und Reichen und die sich vermischende Wut in der Öffentlichkeit haben die Spaltung der USA beschleunigt. Der Brückenschlag zwischen den Werten der Eliten und den verletzlichsten Teilen der Gesellschaft fällt immer schwerer, während sich Rassendiskriminierung und kulturelle Auseinandersetzungen verschärfen. Man kann sagen, dass die diesjährigen US-Präsidentschaftswahlen den schmerzhaften Riss durch die amerikanische Gesellschaft in konzentrierter Form sichtbar gemacht haben.