China und die Europäische Union: Auf einem guten und konstruktiven Weg

2020-09-15 09:05:43

Dr. Michael Borchmann

Dr. Michael Borchmann

Um es gleich zu sagen: In meinen Augen war der 14. September 2020 ein guter Tag für die Beziehungen zwischen der Europäischen Union (EU) und China. Auf einem virtuellen Gipfel haben Staatspräsident Xi Jinping und die politischen Spitzen der EU, nämlich der Präsident des Europäischen Rates, Charles Michel, der auch den Vorsitz führte, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und die deutsche Bundeskanzlerin Merkel konferiert. Die Bundeskanzlerin nahm als Vertreterin des Landes teil, das momentan die EU-Ratspräsidentschaft innehat. Staatspräsident Xi hatte zu Beginn der Gespräche appelliert, China und die EU sollten an friedlicher Koexistenz, Offenheit und Zusammenarbeit, Multilateralismus sowie Dialog und Konsultation für eine solide und stabile Entwicklung ihrer Beziehungen festhalten. Inhaltlich standen auf der Konferenz der Abschluss eines Investitionsschutzabkommens, die Klimapolitik und die Digitalisierung im Mittelpunkt der Erörterungen, aber natürlich auch die Auswirkungen der Pandemie. Und das Ergebnis der Gespräche? Die europäische Seite äußerte sich sehr zufrieden über den „guten, offenen und ehrlichen Austausch“ (Bundeskanzlerin Merkel). Beide Seiten vereinbarten, ranghohe Dialogmechanismen zu Klima und Umwelt sowie zu Fragen im Digitalbereich einzurichten, um ihre Partnerschaft zu stärken. Zu dem nunmehr seit Jahren verhandelten Investitionsschutzabkommen erläuterte Kommissionspräsidentin von der Leyen Details zu Einigungen und noch bestehenden Dissenspunkten. Zu dem avisierten Verhandlungsabschluss zum Jahresende 2020 sagte die deutsche Bundeskanzlerin, das Vorhaben habe durch das Treffen nun einen weiteren „politischen Impuls“ bekommen: „Es kann klappen.“

Aber doch noch ein wenig zur Vorgeschichte des Gipfels. Dieser Gipfel war eigentlich nicht digital geplant. Vielmehr war ein erstmaliges Gipfeltreffen Chinas mit den 27 Staats- und Regierungschefs der EU für den 14. September in Leipzig geplant und sollte einer der wichtigsten Termine der deutschen EU-Ratspräsidentschaft werden, die am 1. Juli begann. Ziel war, das Verhältnis der Europäischen Union zum Handelspartner China zu erörtern und zu justieren. Konkret sollte ein Investitionsschutzabkommen unter Dach und Fach gebracht werden. Zudem sollten der gemeinsame Kampf gegen den Klimawandel bekräftigt und die Rolle der EU und Chinas in Afrika erörtert werden. Aber die Pandemie ließ ein solches physisches Treffen erkennbar nicht zu, sodass Anfang Juni nach Telefonaten zwischen Bundeskanzlerin Merkel und Staatspräsident Xi der Gipfel verschoben wurde, in der festen Absicht, ihn nachzuholen. Deutschland, die EU und China hätten die Bedeutung dieses Vorhabens betont, erklärte der deutsche Regierungssprecher Seibert. Sie seien sich einig, dass das Treffen angesichts der „pandemischen Gesamtlage“ zum vorgesehenen Zeitpunkt nicht stattfinden könne. Es solle jedoch nachgeholt werden.

Nachdem die Pandemieentwicklung erkennbar weiter unbestimmt blieb, verständigte man sich über den nunmehr durchgeführten virtuellen Gipfel, wobei auch zwischenzeitlich weitere digitale Konferenzen und Gespräche durchgeführt wurden. Hervorzuheben ist etwa der 22. EU-China-Gipfel am 22. Juni per Videokonferenz, bei dem es bereits um das genannte Investitionsschutzabkommen und u.a. den Schutz geografischer Herkunftsbezeichnungen ging. Zu seiner Bedeutung kommentierte Kommissionspräsidentin von der Leyen: „Die Covid Pandemie sowie zahlreiche bilaterale und multilaterale Herausforderungen zeigen deutlich, dass die EU - China Partnerschaft von fundamentaler Bedeutung ist, in so zentralen Bereichen wie Handel, Klima, Technologie und der Verteidigung des Multilateralismus“. Zu erwähnen ist hier ferner in Vorbereitung der Konferenz am 14. September der erste hochrangige China-EU-Dialog im digitalen Bereich unter gemeinsamem Vorsitz des chinesischen stellvertretenden Ministerpräsidenten Liu He und der EU-Kommissarin Margrethe Vestager am 10. September in Form einer Videokonferenz. Gegenstand waren Standards der Kommunikationstechnologie, Künstliche Intelligenz und Sicherheit von Nicht-Lebensmittelprodukten. Nach Äußerung der EU-Kommissarin war es ein sehr konstruktives Treffen getragen von der beiderseitigen Absicht, diesen Dialog auszubauen und zu vertiefen. Nicht unerwähnt bleiben soll schließlich eine unmittelbar vor der Konferenz am 14. September getroffenes bilaterales Abkommen, mit dem jeweils 100 europäische und chinesische geografische Angaben geschützt werden. Dazu gehören zum Beispiel europäische Produkte wie Münchener Bier, Champagner oder Feta oder auf chinesischer Seite Pixian-Bohnenpaste, Anji Weißer Tee oder der berühmte Reis von Panjin.

Hinsichtlich des Gipfels selbst darf man die Augen nicht davor verschließen, dass in seinem Vorfeld von chinafeindlichen Kräften mit großem Einsatz daran gearbeitet wurde, den Gipfel mehr oder weniger scheitern zu lassen. Das US-amerikanische Medienportal CNBC frohlockte bereits im Vorfeld, dass der Gipfel an unüberbrückbaren Meinungsverschiedenheiten scheitern werde. „Ich denke, wir werden keinerlei Fortschritte bilanzieren können“, zitierte man eine Repräsentantin des von den USA initiierten und gesteuerten „European Council on Foreign Relations“. Und die verzerrten, ebenfalls von jenseits des Atlantik gesteuerten Behauptungen angeblicher Menschenrechtsverstöße haben durch Übernahme und Priorisierung durch US-willfährige Politiker in Europa auch Druck gegenüber den Akteuren des Gipfels aufgebaut. Bundeskanzlerin Merkel gab in der Pressekonferenz hierzu zu erkennen, dass man es angesprochen habe, aber hier zwischen beiden Seiten die erwarteten Meinungsunterschiede bestünden. Und wohltuend war es auch, wie sehr laut der Bundeskanzlerin die EU auf die Kooperation mit China setzt: Beide Seiten würden sich zum Pariser Klimaschutzabkommen bekennen, was trotz unterschiedlicher politischer Systeme eine gute Grundlage für eine enge Kooperation sei. Was die Bundeskanzlerin nicht ausdrücklich sagte: Darin unterscheidet sich China von den USA, die aus dem Abkommen ausgestiegen sind. Als große Aufgabe bleibt nach dem Gipfel die Weiterarbeit an dem Investitionsschutzabkommen. Es steht außer Zweifel, dass China sich immer weiter öffnet und die europäischen Unternehmen davon profitieren. So gaben nach einer Umfrage der Europäischen Handelskammer vier von fünf Unternehmen aus den Branchen Kosmetik, medizinische Instrumente sowie Pharmazie an, dass sie als Folge der Marktöffnung ihren Umsatz im vergangenen Jahr gesteigert haben. Aber Aufgabe bleibt, auch schon wegen des politischen Signaleffektes, der definitive Abschluss eines umfassenden Abkommens. Dass der eingeschlagene konstruktive Weg mit China weitergeht, machte Bundeskanzlerin Merkel mit den Worten deutlich: Der ursprünglich vorgesehene Gipfel solle aber nachgeholt werden, sobald es die Pandemielage erlaube. Allerdings könne das Treffen im sogenannten Vollformat, so die Kanzlerin, sicherlich nicht mehr während der deutschen Ratspräsidentschaft stattfinden. Ratspräsident Michel habe Präsident Xi Jinping hierzu bereits nach Brüssel eingeladen.


Dr. Michael Borchmann

Ministerialdirigent a.D. (Land Hessen), früherer Abteilungsleiter (Director General) Internationale Angelegenheiten

Mitglied des Justizprüfungsamtes Hessen a.D.

Senior Adviser der CIIPA des Handelsministeriums der VR China

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