Schnelligkeit und Lernfähigkeit sind auch bei Hochwasser Trumpf

2020-07-15 09:08:27

Hochwasseralarm in China: Straßen und Felder werden überschwemmt, Häuser stürzen ein. Die Schleusen einiger Staudämme müssen geöffnet werden. Es ist ein Kampf gegen die Uhr und mit vollem Einsatz. Es geht um 40 Millionen direkt betroffene Menschen in 27 Provinzen. Wie bei der Pandemie hat der Schutz von Menschenleben oberste Priorität.

Als Folge extremer Regenfälle gab es seit Juni dieses Jahres bei mehr als 400 Flüssen Überschwemmungen. In über 30 Fällen wurden Rekordwasserstände erzielt. Mehr als zwei Millionen Menschen wurden bereits evakuiert. Über 140 Menschen sind tot oder werden vermisst. Der wirtschaftliche Schaden beträgt bereits mehr als zehn Milliarden Euro. Präsident Xi Jinping fordert, schon jetzt den Wiederaufbau zu planen, um eine schnelle Rückkehr zur Normalität von Wirtschaft und Alltagsleben zu ermöglichen.

Bei diesem Kampf sind genau wie beim Kampf gegen die Pandemie schnelle Reaktionen und Auswertungen gefragt, um viele Menschenlebenretten zu können. Die Anstrengungen müssen noch gewaltiger sein als es die Katastrophe ist.

Chinas Klima wird vom Monsun beeinflusst – mit starken Regenfällen sowie Sturmfluten an der Süd- und Ostküste, vor allem von Juni bis November. Das führt oft zu Überschwemmungen, wobei das überwiegend flache Zentralchina meist besonders stark betroffen ist. Die Volksrepublik sieht eine Ursache für die aktuell extremen Wetterverhältnisse auch im Klimawandel.

Die letzte sehr schlimme Flut am Jangtse-Fluss hielt China im Sommer 1998 in Atem. Sie wurde damals als die größte Flut in China seit 40 Jahren eingeschätzt: 240 Millionen Menschen waren betroffen, 18 Millionen wurden evakuiert, mehr als 4000 starben.

Überschwemmungen kommen auch im 21. Jahrhundert noch jedes Jahr vor, aber ohne solch extreme Folgen. China hat dazu gelernt, Schwachstellen behoben,wichtige Infrastruktur abgesichert bzw. für den Ernstfallergänzt, Vorkehrungen getroffen.

Wasserbau-Ingenieur Dr. Wolfgang Kron, Geo-Risiken-Experte bei der Münchner Rückversicherung, hat 2018 in einem Text für das Buch „Warnsignal Klima: Extremereignisse“ die Ursachen von Flutkatastrophen in China und Gegenmaßnahmen beschrieben. Die Flut von 1998 hat laut Kron China aufgerüttelt und „eine der größten Hochwasserschutzkampagnen in der Geschichte der Menschheit“ ausgelöst. China investierte seitdem umgerechnet mehrere Hundert Milliarden Euro in Maßnahmen wie zum Beispiel den Bau und die Verbesserung von Dämmen, Rückhaltebecken und -räumen sowie Deichen. Dadurch habe China die Zahl der Flut-Toten erheblich vermindert, so Kron.

Zentren zur Datenerhebung, Hochwasservorhersage und -warnung sowie eine Hochwassermanagementstrategie waren laut Kron weitere Maßnahmen. „Der Staat versuchte auch Gesellschaft, Wirtschaft, Umwelt, Ökosysteme, Bevölkerung, Ressourcen und öffentliche Sicherheit in die Strategie einzubeziehen.“ Ziel sei es gewesen, eine verbesserte Form der Krisenreaktion in Verbindung mit einer gezielten Zuweisung von Verantwortlichkeiten an unterschiedliche Ebenen der Verwaltung zu entwickeln.

Zur folgenden Optimierung der Katastrophenvorsorge und Risikoreduktion gehören laut Wolfgang Kron Weichenstellungen, um nach einer Katastrophe rasch in den Alltag zurückzufinden – genau wie es auch Präsident Xi unlängst gefordert hat.

Experte Kron fordert, das Prinzip „Bauen mit der Natur“ anzuwenden. Maßnahmen müssten an die Umwelt angepasst werden und nicht umgekehrt. Zudem sollten sie auf den besten wissenschaftlichen und technischen Methoden beruhen. Tatsächlich wurde unter XiJinping der Umweltschutz hochgestuft: „Klare Gewässer und grüne Berge sind so wertvoll wie Berge aus Gold und Silber“, betonte er. China hat als High-Tech-Katastrophenbekämpfer einen hervorragenden Ruf, nicht zuletzt wegen der schnellen Erfolge während der Pandemie. Auch bei der Frühwarnung und Bekämpfung von Hochwasser kommen nun zahlreiche neue Technologien zum Einsatz, wie etwa 5G-Kommunikation, Big-Data-Analysen und Drohnen.

Der Wetterdienst ist durch langjährige Forschung schneller und präziser geworden ist. Es wurde in den vergangenen Jahrzehnten ein System zur Überwachung der Niederschlagsverhältnisse und Vorhersage von Überschwemmungen eingerichtet. China verfügt über mehr als 120.000 Messstationen. China ist bei der Katastrophenbekämpfung schneller,effektiver und besser vorbereitet als während des verheerenden Hochwassers vor 22 Jahren.

Schnelles Handeln und Lernfähigkeit zahlen sich aus. Und Pragmatiker mit gesundem Menschenverstand in Führungspositionen sind sicherlich auch hilfreich.

Text: Nils Bergemann

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