Matthew Pottinger sorgt für Aufmerksamkeit: Der stellvertretende US-Sicherheitsberater hat den Geist der chinesischen Bewegung des 4. Mai im Jahr 1919 in einer Rede vor kurzem als „Populismus“ bezeichnet, mit dem der Autorität des Staates widersprochen worden sei.
Mit seinem Vortrag auf Chinesisch hat Pottinger absichtlich die chinesische Geschichte verdreht: Die Bewegung des 4. Mai wurde offiziell als eine antiimperialistische und antifeudalistische patriotische Revolution definiert, ebenso wie eine Aufklärungsbewegung, in der sich neue Gedanken, Kulturen und neues Wissen verbreiteten. Auslöser war die Pariser Friedenskonferenz, auf der die Ansprüche Chinas als eine der Siegesmächte des Ersten Weltkrieges, wie die Abschaffung ausländischer Konzessionen und der Abzug ausländischer Truppen, abgelehnt wurden. Der Geist der Bewegung des 4. Mai umfasst in erster Linie Patriotismus, ebenso wie Fortschritt, Demokratie und Respekt für die Wissenschaft.
Dieser Geist hat sich auch im Kampf gegen die COVID-19-Epidemie in China niedergeschlagen. Statistiken zufolge sind mehr als 420.000 Ärzte und Pfleger aus allen Landesteilen zum Einsatz nach Hubei gegangen, über 120.000 davon sind nach dem Jahr 1990 geboren. Mit ihrem starkem Verantwortungsbewusstsein und Patriotismus sind sie die Erben der Bewegung des 4. Mai.
Anstatt die chinesische Geschichte zu verdrehen, sollte sich Pottinger vielmehr auf die Fragen konzentrieren, warum die USA angesichts der Pandemie im Chaos versunken sind, wie die über zwei Monate zu Beginn der Epidemie versäumt wurden und warum das neuartige Coronavirus anfangs nur als „große Grippe“ bezeichnet wurde. US-Medienberichten zufolge ist die Mortalität von US-Bürgern afrikanischer und lateinamerikanischer Abstammung wesentlich höher als die anderer Volksgruppen und zahlreiche Senioren in Altenheimen sind wegen mangelhafter Betreuung an den Folgen des Virus gestorben. Die sozialschwachen Gruppen in den USA leiden also besonders schwer.
In diesem Sinne wird Pottingers Rede zu einem Eigentor. Die Tatsache, dass viele US-Bürger wegen der Versäumnisse ihrer Regierung ihr Leben verloren haben, kann nicht vertuscht werden. Je stärker die US-Politiker in der Denkweise des Kalten Krieges Macht und Privatinteressen anstreben, desto schwerer werden das Leben und die Interessen der US-Bürger bedroht.