Während großer Krisen sollte man groß denken und groß zusammenarbeiten. Man muss es aber nicht. Die Nato-Staaten könnten zusammenarbeiten und sich einen Dreck um die restliche Welt scheren. Die EU-Staaten könnten ihr eigenes Ding machen. Eine rein westeuropäische Kooperation wäre auch möglich. Die Five-Eyes-Geheimdienstbündnis-Staaten Australien, Kanada, Neuseeland, Großbritannien und die USA könnten auch exklusiv bei der Virusbekämpfung zusammenarbeiten.
Ich denke, ich muss keine weiteren Beispiele nennen. Exklusive Clubs können eine Zeit lang Vorteile bringen. Gewinne auf Kosten Anderer waren und sind noch möglich. Bei einer Pandemie sollten die verschworenen Herrschaften aber besser ihre Clubhäuser verlassen. Nicht nur, weil das Ansteckungsrisiko mit Corona- und Egoismus-Viren zu hoch ist. Viel gefährlicher ist es, dass man Gefahr läuft, Anderen beim Sterben zuschauen zu müssen oder die Anderen schauen einem selbst beim Sterben zu.
Einige Clubs oder Bündnisse können erschreckend selbstbezogen sein. Die Mitglieder schmoren manchmal so sehr im eigenen Saft, dass sie keine Ahnung haben, was da draußen in der übrigen Welt abläuft. Bis dann plötzlich die Welt bei ihnen vor der Tür steht oder Bilder von Lastwagen mit Leichen über die Bildschirme flimmern. Und wenn die gleichen Politiker dann wiederholt auch noch so tun, als hätten sie das alles nicht kommen gesehen, machen sie sich unglaubwürdig und lächerlich.
Die Schrecksekunde angesichts der Epidemie in China und der Verbreitung in weiteren Ländern dauerte ja bei einigen Regierungschefs Wochen oder sogar Monate. Und auch jetzt agieren viele noch konfus. Einige scheinen sogar damit überfordert zu sein, die richtigen Berater auszuwählen.
China hat früh auf internationale Zusammenarbeit gesetzt. Die chinesische Regierung und chinesische Unternehmen haben bereits 89 Ländern und vier internationalen Organisationen beim Kampf gegen die Epidemie geholfen. China hat schon sieben Expertenteams in den Iran und Irak sowie nach Italien, Serbien und Kambodscha geschickt.
China bietet weiterhin seine Hilfe an, auch Regierungen, die China gerne mal als die Inkarnation des Bösen darstellen. Denn China schert sich in dieser Situation einen Dreck um solche Vorurteile. Chinas Staatspräsident Xi Jinping hatte kürzlich auch bei einem Telefongespräch mit US-Präsident Donald Trump betont: „Angesichts der aktuellen Situation sollten China und die USA gemeinsam gegen die COVID-19-Epidemie kämpfen.“
Schon während seiner Rede beim G20-Sondergipfel, der als Videokonferenz stattfand, hatte Xi erklärt, China sei bereit, Erfolgspraktiken bei der Prävention und Kontrolle von COVID-19 mit betroffenen Ländern zu teilen und an Medikamenten und Impfstoffen gemeinsam zu forschen. Schwer betroffenen Ländern wolle China im Rahmen seiner Möglichkeiten Hilfe anbieten. Die Vier-Punkte-Initiative von Xi Jinping sieht eine globale Anti-Epidemie-Kampagne, gemeinsame Vorkehrungen, die Unterstützung internationaler Organisationen und eine intensivere Koordinierung der Weltwirtschaftspolitik vor.
Xi Jinping hatte während des Telefonats mit Donald Trump auch betont, dass China auf Transparenz und Verantwortungsbewusstsein Wert lege.
Tatsächlich könnte China aber sogar davon profitieren, wenn es auf Hilfen und Hilfsangebote verzichten würde. Sogar hinter Chinas tatkräftiger Hilfe vermuten ja einige Politiker und Journalisten einen finsteren Geheimplan. Teilte China nicht sein Wissen und hülfe nicht mit Experten und Material, stünde in einigen Ländern die Produktion wohl länger still. Es gingen dann vielleicht ein paar Konkurrenten pleite und insgesamt würden dann wohl mehr chinesische Produkte nachgefragt.
Wenn man ein bisschen darüber nachdenkt, kommt man sehr einfach zu dem Ergebnis, dass eine umfangreiche globale Zusammenarbeit und gegenseitiges Helfen zumindest in dieser Situation sinnvoll sind. Außerdem möchte man schließlich auch Hilfe erhalten, wenn es einem mal schlecht geht.
Erfolgreiche Zusammenarbeit setzt eine gewisse Transparenz voraus. Wenn sich einige Regierungschefs die Lage im Gesundheitssystem schön lügen lassen, kann niemand rechtzeitig Masken und Beatmungsgeräte produzieren und die armen Bürger müssen unnötig lange zu Hause bleiben, während in Südkorea und China die Menschen schon wieder im Park sind, mit Masken.
Eine Bestandsaufnahme ist erforderlich: Wie viele Masken, Beatmungsgeräte, Schutz- und Desinfektionsmittel gibt es und wie viele können in welchem Zeitraum produziert werden? Wie viele Betten auf Intensivstationen gibt es? Wie schnell kann man erweitern? Diese und ähnliche Fragen müssen beantwortet werden, damit andere Länder mit Überkapazitäten einspringen können. Es muss auch nicht immer China sein, das hilft.
Gewisse Standards bei der Erhebung und Übermittlung von Gesundheitsdaten sind auch notwendig. Es sollten neben der Anzahl der neu positiv Getesteten auch immer die Anzahl der Tests in einem bestimmten Zeitraum genannt werden, am besten auch die Zahl der positiven Tests pro 100 oder 1000 Tests.
Für Hochrechnungen ist es sinnvoll, gelegentlich eine hohe Anzahl von Menschen unabhängig von einem Verdacht zu testen: etwa eine zufällige Auswahl, ein ganzes Dorf oder einen ganzen Stadtteil.
Wir leben im 21. Jahrhundert, wir sind nicht so hilf- und ahnungslos, wie es einige Regierungserklärungen vermuten lassen. Und gemeinsam sind wir wirklich sehr stark.
Text: Nils Bergemann