Ein Kommentar von Radio China International
Die US-Börsen haben innerhalb von sechs Handelstagen dreimal nachgegeben. Der Dow Jones ist um fast 13 Prozent abgerutscht, was zum schlimmsten Börsentag an der Wall Street seit 33 Jahren geführt hat. Die Reaktion von US-Präsident Donald Trump war abstrus: Er machte auf Twitter „das chinesische Virus“ für den Crash verantwortlich.
Wissenschaftler wissen bisher wenig über die Herkunft des neuartigen Coronavirus. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) nennt die Epidemie explizit „COVID-19“, um einen diskriminierenden Zusammenhang zwischen der Epidemie und einer bestimmten Region zu vermeiden. Trumps diskriminierender Tweet ist offensichtlich eine Missachtung der fachlichen Autorität der WHO. Chinas Außenministerium hat unverzüglich Ablehnung und Protest erklärt und bezeichnete die Äußerung als Verleumdung.
Die Entwicklung der Börse folgt ökonomischen Regeln und lässt sich nicht willkürlich interpretieren. Man könnte logischerweise fragen: Welches Virus stand hinter dem historischen Crash der US-Börse am 27. Oktober 1997? Welches Virus macht die US-Politik für die Finanzkrise auf der Wall Street 2008 verantwortlich?
Das jüngste historische Absacken der US-Börse scheint in erster Linie auf zwei Gründen zu basieren: Dem Rohölpreis-Krieg zwischen Saudi-Arabien und Russland zum einen und der inkompetenten Reaktion der US-Regierung auf die Epidemie zum anderen.
Der Disput zwischen Saudi-Arabien und Russland setzt die hoch verschuldete und preismäßig nicht konkurrenzfähige US-Schiefergasindustrie unter großen Druck.
Donald Trump hat außerdem ObamaCare gekippt, wodurch mehr und mehr US-Amerikaner sich einen Arztbesuch nicht leisten können. Die jüngste Epidemie ist eine doppelte Finanzlast für Erkrankte, zumal viele US-Amerikaner die Kompetenz von Vizepräsident Mike Pence, der die US-Reaktionen auf COVID-19 leitet, in Frage stellen, weil der Republikaner während seiner Amtszeit als Gouverneur von Indiana seine Ideologie über die Wissenschaft setzte, was zu einem Ausbruch von HIV-Infektionen geführt hat.
Doch diese beiden Gründe waren für den Börsen-Crash nicht notwendig und als Erklärung auch nicht hinreichend. Es steckt noch mehr dahinter. Im Geiste des Neoliberalismus haben immer mehr US-Konzerne ihre Industrie in Entwicklungsländer verlagert und das geldgierige Kapital fließt zusehends in die Finanzbranche. Die US-Wirtschaft wurde irreal. Dieses grundlegende Problem wurde in den 80er- und 90er-Jahren immer größer, bis es 2008 durch eine aus der Wall Street hervorgehende und den Globus umwebende Finanzkrise offenbart wurde.
Doch Washington war zu schwach, um das Problem an der Wurzel anzupacken. Statt struktureller Reformen pumpte die Regierung flutartig Gelder auf den Markt. Das Problem wurde einfach unter den Tisch gekehrt. Bankiers sowie Politiker fantasierten berauscht in einer Finanzblase.
Außerdem sind die USA eine hoch verschuldete Gesellschaft. Der gesamte Börsenwert ist 1,6-mal so hoch wie das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der Vereinigten Staaten von Amerika. Ende 2019 betrugen die Schulden der US-amerikanischen Haushalte Statistiken der Federal Reserve zufolge zwei Drittel der US-Wirtschaftsleistungen. Die Schulden von Unternehmen außerhalb der Finanzbranche machten sogar drei Viertel des US-BIP aus. Keine Wirtschaft, keine Industrie und kein Individuum kann bei einem derartig hohen Schuldenberg gelassen bleiben, wenn es auch nur das kleinste Anzeichen von Unsicherheiten gibt. Jetzt ist es zu spät. Washington fühlt sich eingeengt und ist am Ende seiner Vernunft angekommen, weil ihm keine wirkungsvollen Instrumente zur Makrosteuerung mehr zur Verfügung stehen.
Ein Börsen-Crash war durch all das ökonomische Chaos unvermeidbar und musste früher oder später kommen. Nur dieses Mal überschnitt er sich zeitlich mit dem neuartigen Coronavirus und kommt den Politikern in einem Wahljahr ungelegen!
Die US-Politiker geraten zusehends in Panik und verlieren an Vernunft und Charisma, die Politiker einer Großmacht als grundlegende Qualität besitzen müssen. It's the economy, stupid! Man muss ein ökonomisches Problem ökonomisch angehen. Die USA brauchen eine Umstrukturierung jetzt mehr denn je. Protektionismus, Antiglobalisierung und Verleumdungen können Amerika nicht wieder großartig machen.