Die Perspektive: Ist Chinas Wirtschaftswachstum schwach und wegen COVID-19 noch schwächer?

2020-03-18 10:17:35

6,1 Prozent. So langsam wie 2019 ist Chinas Bruttoinlandsprodukt (BIP) seit knapp 30 Jahren nicht mehr gewachsen. Droht ein wichtiger Motor der Weltwirtschaft ins Stocken zu geraten?

Singapur, die USA und die Schweiz schneiden weltweit bei der Wachstumsrate nicht besonders gut ab. In den vergangenen Jahren verbuchten sie sogar mehrfach Minuswachstum, trotzdem gehören sie dem Weltwirtschaftsforum zufolge zu den konkurrenzfähigsten Volkswirtschaften. Über die Qualität einer Wirtschaft sagt das BIP also wenig aus. In erster Linie ist es ein Maß der ökonomischen Quantität und setzt sich aus der Gesamtsumme aller Waren und Dienstleistungen in einem Zeitraum zusammen.

Theoretisch vergrößert sich das BIP, wenn infolge von Steuer- oder Zinssenkungen Verbraucher mehr einkaufen oder Unternehmen ihre Investitionen aufstocken. Auch größere Defizite des Staates können zu einer BIP-Steigerung führen. Im Extremfall könnten sich Exportvolumen als Folge einer Abwertung der Landeswährung erhöhen. In der Realität ist dies aber viel komplizierter. Jeder Regierung steht nach Ansicht keynesianischer Ökonomen eine Reihe von Instrumenten zur Makrosteuerung zur Verfügung. Beijing hat sogar einen noch größeren Spielraum, weil China zu den wenigen Volkswirtschaften gehört, die noch eine normale Geldpolitik durchführen.

Doch radikale Optionen wie etwa eine Überflutung des Marktes mit Geldern oder eine Abwertung des Yuan sind für China längst vom Tisch. Sie könnten zwar kurzfristig Wirkung zeigen, tun China langfristig aber nicht gut. Rücksichtslosigkeit belastet außerdem die bereits schwache Weltkonjunktur und ist daher für China, auch im Schatten der COVID-19-Epidemie, weder nötig noch moralisch vertretbar. Die Herausforderung für Chinas Wirtschaft ist nicht ihr Volumen, sondern ihre Qualität. Für eine bessere Qualität muss eine strukturelle Optimierung her. Und schon seit Jahren ist die Volksrepublik mit einem ehrgeizigen Reformplan auf dem Weg zu einer modernen Volkswirtschaft. Sie braucht einfach mehr Zeit und Entschlossenheit.

Der Schwarze Schwan COVID-19 darf China nicht von seinem eingeschlagenen Kurs abbringen, sondern muss tiefere Reformen und mehr Innovationen katalysieren. Denn ein qualitativ gutes Wachstum bedeutet nicht unbedingt größer, schneller oder mehr, sondern nachhaltiger, ausgeglichener, kreativer und intelligenter.


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