Die Frage, ob Chinesen besonders ansteckend sind, werden derzeit weltweit vermutlich ein paar Millionen Menschen bejahen. Ein paar Millionen Menschen – das klingt viel. Das ist aber nur ein sehr kleiner Teil der Weltbevölkerung von mehr als sieben Milliarden Menschen, womit wir beim Thema "Mathematik-Kenntnisse" sind.
Schon das Beherrschen der Grundrechenarten schützt vor gefährlichen und peinlichen Vorurteilen. Derzeit gibt es rund 20.000 bestätigte Infektionen mit dem neuen Corona-Virus in China. Für Deutsche oder auch US-Amerikaner, die schlimme Grippewellen erlebt haben, dürfte das keine Horrorzahl sein. Selbst, wenn 20.000 Deutsche mit dem Corona-Virus infiziert wären, entspräche das nur 0,024 Prozent der deutschen Gesamtbevölkerung von 82 Millionen. Nun gibt es aber etwa 17 mal so viele Chinesen wie Deutsche. Also muss man 0,024 durch 17 teilen. Dann steht eine weitere Null hinter dem Komma und es sind nur noch 0,0014 Prozent. Diese Infektionsrate gilt übrigens für alle Menschen, die aus China kommen. Franzosen, Inder und US-Amerikaner aus China sind also genauso gefährlich oder ungefährlich wie Chinesen aus China.
Apropos gefährlich: Wenn schon die Infektionsrate in China nicht hoch ist, ist es dann die Sterblichkeitsrate? Diese liegt laut aktuellen Berichten bei etwa zwei Prozent. Sie ist damit um ein Vielfaches niedriger als bei den auch durch Coronaviren ausgelösten Krankheiten Sars und Mers.
Bei der Sterblichkeitsrate von zwei Prozent handelt es sich um einen Durchschnittswert. Das bedeutet, dass die meisten Menschen, die sich infizieren, ein geringeres Sterbe-Risiko als zwei Prozent haben. Jedoch Menschen, die durch andere Krankheiten geschwächt sind, oder generell Ältere, haben ein höheres Risiko als zwei Prozent. Babys oder Kleinkinder mit noch nicht so starkem Immunsystem sind potentiell auch gefährdeter.
Wenn derzeit Chinesen bzw. asiatisch aussehende Menschen gemieden, beschimpft oder sogar angegriffen werden und man sich schon an die Warnungen vor der "Gelben Gefahr" unter Kaiser Wilhelm II erinnert fühlt, hat das neben mangelnden Mathematik-Kenntnissen auch mit fehlender Reflexion psychologischer Prozesse zu tun oder, kurz gesagt, mit Denkfaulheit.
Eine gewöhnliche Grippe wirkt kaum bedrohlich. Auf eine normale Grippe wird auch selten jemand getestet und sie findet sich als Ursache selten auf einem Totenschein.
Aber alles, was einen eigenen Namen bekommt, erhält sofort größere Aufmerksamkeit und wirkt bedrohlicher. Ob es die Schweinegrippe in Deutschland war oder jetzt das Corona-Virus "2019-nCoV" ist, das auch Wuhan-Virus genannt wurde.
In den USA gab es im vergangenen Jahr eine extreme Grippewelle. Hätte man diese Epidemie als Amerikanische Grippe bezeichnet und in dem gleichen Umfang wie jetzt darüber weltweit berichtet, wären vielleicht US-Amerikaner Opfer von Ausgrenzung und Beschimpfung geworden. Glücklicherweise passierte das nicht.
Ein neues Virus kann überall "ausbrechen" und in unserer vernetzten Welt schnell andere Länder erreichen. Corona-Viren hat man in Fischen, Vögeln und Säugetieren gefunden. Man fand sie auch in Insekten, die eine Fledermaus gefressen hatte. Den Weg des Virus über all diese Wirte zurück zu einem Ort in einem Land zu finden, ist wohl unmöglich. Und selbst, wenn es gelänge, wäre es sehr dumm, die Schuldfrage zu stellen. Denn niemand, egal ob Heuschrecke oder Mensch, wusste anfangs, dass er sich ansteckt und womit. Erst, wenn Viren bewusst als Biowaffen eingesetzt werden, gibt es Schuldige.
Wer seinen diffusen Ängsten vor Krankheiten und anderen Bedrohungen gerne ein Gesicht geben will, hat Pech, ein chinesisches bzw. asiatisches Gesicht eignet sich dafür definitiv nicht.
Nils Bergemann
Redakteur der China Media Group