Nach dreijährigem Tauziehen ist Großbritannien am 31. Januar um 23 Uhr offiziell aus der Europäischen Union ausgetreten. Auf dem Platz vor dem Parlamentsgebäude in London haben Tausende von Briten den historischen Moment miterlebt. Doch unsichere Faktoren wie die Beziehungen zwischen Großbritannien und der Europäischen Union sowie die Geopolitik sorgen noch immer für Bedenken.
Vom Beitritt Großbritanniens zur Europäischen Staatengemeinschaft 1973 bis zum „Brexit“ sind insgesamt 47 Jahre vergangen. Der britische Rundfunksender BBC bezeichnete das Ereignis als den größten geopolitischen Wandel nach dem Ende des Kalten Krieges. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel bedauerte es als einen „tiefen Einschnitt“ für Deutschland und die EU.
Die europäische Integration hat sich aufgrund äußerer Faktoren in den vergangenen zehn Jahren wesentlich verlangsamt, unter anderem durch den Widerspruch zwischen der wirtschaftlichen Abwärtstendenz und dem sozialen Wohlfahrtssystem, die europäische Schuldenkrise und die Flüchtlingskrise.
Der französische Präsident Emmanuel Macron bezeichnete den „Brexit“ am Freitag als einen „Schlag” für die EU und eine „historische Warnung”. Um eine noch stärkere und effizientere EU zu bilden, seien Reformen notwendig. Dies ist ein Beweis dafür, dass die europäischen Eliten tief vom EU-Austritt Großbritanniens berührt sind. In diesem Zusammenhang ist es daher entscheidend, tatkräftige Maßnahmen zum Abbau der Differenzen und zur Förderung der europäischen Integration zu ergreifen.
Im Wirtschaftsbereich werden durch den „Brexit“ die Interessen der EU-Staaten umgestaltet. Zum einen werden die Handelskosten zwischen Großbritannien und der EU unvermeidlich zunehmen, zum anderen sehen Städte wie Paris und Frankfurt mit der abgeschwächten Position Londons Chancen zur Erhöhung ihres Einflusses. Nach dem „Brexit“ werden jährlich zehn Milliarden Euro weniger an die EU gezahlt. Für die aktuellen 27 EU-Mitgliedstaaten sind Geldeinsparungen also ein wichtiges Thema.
„Der ‚Brexit‘ bedeutet nur den Anfang der harten Arbeit”, kommentierte die britische Zeitung „Financial Times“. Der Austritt Großbritanniens aus der EU nach langem Tauziehen und dem Rücktritt von zwei britischen Premierministern hat die Grundlage der britischen Gesellschaft erschüttert und die Volksmeinungen sind auseinander gegangen. Es ist ein politisches Risiko, ob Schottland diesem Schritt folgt oder aus Großbritannien auszutreten versucht. Zudem werden Großbritannien und die EU während der Übergangsperiode, die am 31. Dezember dieses Jahres ausläuft, ein Freihandelsabkommen aushandeln. Auch in diesem Bereich ist ein Tauziehen unvermeidlich.