Entlang der Fernstraße G316 in der Stadt Tongren in der nordwestchinesischen Provinz Qinghai befinden sich auf einem mehrere Kilometer langen Straßenabschnitt Dutzende von Thangka-Kunstakademien. In den nahe gelegenen Dörfern gibt es zahlreiche Maler, die diese 1.000 Jahre alte Kunst beherrschen. „Jeder in meiner Familie außer mir ist ein Thangka-Maler“, sagt der 33-jährige Kanzhoiji aus dem Dorf Wutunxiazhuang in Tongren.
Thangkas sind tibetisch-buddhistische Rollbilder auf Baumwolle oder Seide, die mit mineralischen und organischen Pigmenten aus Koralle, Achat, Saphir, Perle, Gold und anderen Quellen gemalt werden, sodass die Farbe jahrhundertelang erhalten bleibt. Sie tauchten zum ersten Mal im 10. Jahrhundert auf und stellen in der Regel buddhistische Gottheiten dar.
Tongren ist berühmt für das lokale Regong-Thangka. Es ist Teil der Regong-Kunst, die 2009 in die Liste des immateriellen Kulturerbes der UNESCO aufgenommen wurde. Vor 15 Jahren waren lokalen Statistiken zufolge weniger als 5.000 Menschen im Bereich der Regong-Thangkas tätig. Heute arbeiten fast 10.000 Menschen in Tongren, ein Neuntel der Einwohner, in verschiedenen Berufen der Regong-Kunst. Die uralten Kunstwerke sind auch zu einem wichtigen Schaufenster für Einheimische und ausländische Besucher geworden, um die Thangka-Kunst kennenzulernen, und haben auch zur Entwicklung des lokalen Tourismus beigetragen. Thangkas, einst eine Form der religiösen Malerei, sind heute beliebte Dekorations- und sogar Sammelobjekte geworden. Ein lokaler Verkäufer namens Gesang Gyaco sagt: „Einige Thangkas mit traditionellen chinesischen Elementen sind bei unseren Kunden sehr beliebt. Zum Beispiel erfreut sich dieses Werk zum Thema Pferd bei Kunden im nordchinesischen Autonomen Gebiet Innere Mongolei großer Beliebtheit.“ Gleichzeitig zeigt er auf ein Thangka mit einem weißen Pferdekopf, umgeben von orangefarbenen Wolken vor einem blauen Seehintergrund und anderen tibetischen Kulturmotiven. Es kostet 1.900 Yuan RMB (etwa 268 Euro) und Gesang Gyaco verkaufte 2021 600 Exemplare davon.
In Tongren ist die Zahl der Thangka-Verkäufe und der Thangka-Maler gestiegen, da in den vergangenen Jahren mehrere lokale Thangka-Kunstakademien und Industrieparks entstanden sind. Lanka, Gründer eines ethnischen Kulturzentrums in der Region Regong, erklärt, das Zentrum habe in den vergangenen fünf Jahren über 800 Schüler ausgebildet, deren Kunstwerke in viele europäische Länder verkauft worden seien. „Thangka sind in Frankreich sehr beliebt. Wir haben mit einem Kunstzentrum in Aulnay zusammengearbeitet, um unsere Produkte regelmäßig auszustellen und zu verkaufen.“ Eines der Kunstwerke wurde Lanka zufolge für mehr als drei Millionen Yuan RMB verkauft.
Qiao Delin, Leiter eines Komitees zur Erhaltung der Regong-Kunst in der autonomen tibetischen Präfektur Huangnan, die Tongren verwaltet, sagt, der hohe Wert der Thangka habe mehr Landwirte und Hirten aus der Umgebung dazu veranlasst, in den Handel einzusteigen. In den vergangenen drei Jahren habe die Präfektur 76 Zentren für den Unterricht des Thangka-Handwerks errichtet.
Die 25-jährige Zhu Maoji aus der autonomen tibetischen Präfektur Gannan in der nordwestchinesischen Provinz Gansu lernt seit über fünf Jahren in einem Zentrum in Tongren. Sie sagt: „Man braucht viel Geduld und Entschlossenheit, um ein Thangka zu malen. Ich arbeite seit mehr als einem Jahr mit drei Kommilitonen zusammen an einem Bild.“
Radan Gyanco, ein 26-jähriger Lehrer des Zentrums, begann im Alter von elf Jahren, das Handwerk zu erlernen, und hat seit 2013 über 100 Schüler unterrichtet. Er sagt: „Ich möchte, dass mehr Menschen von dieser Kunst erfahren.“