Der Mittelpunkt der Erde scheint noch verrückter zu sein, als es sich der französische Schriftsteller Jules Verne vorstellte, der 1864 die Reise zum Mittelpunkt der Erde veröffentlichte - eine fantastische Odyssee zu den verborgenen Welten, die unter der Erdoberfläche liegen.
Wissenschaftler glaubten jahrzehntelang, dass der innere Erdkern angesichts des extremen Drucks nur eine feste Metallkugel ist, die hauptsächlich aus Eisen und Nickel besteht und dass er von einem tiefen Ozean aus geschmolzenen flüssigen Legierungen, dem so genannten äußeren Kern, umschlossen ist.
Chinesische Wissenschaftler haben jedoch herausgefunden, dass sich der innere Erdkern in einem sogenannten super-ionischen Zustand befinde, der es ihm ermögliche, sich gleichzeitig wie ein Festkörper und eine Flüssigkeit zu verhalten.
Diese Entdeckung hat das traditionelle Verständnis der geologischen Struktur der Erde in Frage gestellt und könnte neue Forschungsideen und Theorien zu etlichen der größten Rätsel der Erde, wie dem Ursprung ihres Magnetfelds, hervorbringen.
Im Jahr 2018 quetschten Wissenschaftler einen Wassertropfen zwischen zwei Diamant-Ambosszellen (diamond anvil cell) und beschossen ihn mit starken Lasern. Durch den extremen Druck und die hohe Temperatur wurden die Wasserstoff- und Sauerstoffatome des Wassers in eine seltsame Form umgewandelt, die als super-ionisches Eis bezeichnet wird, wie in der Fachzeitschrift Nature Physics veröffentlicht wurde.
Dies ist darauf zurückzuführen, dass die starke Hitze die chemischen Bindungen zwischen den Wasserstoff- und Sauerstoffatomen schmilzt. Der hohe Druck hält die schwereren Sauerstoffatome in einer geordneten Kristallanordnung wie ein Festkörper, während die Wasserstoff-Ionen wie eine Flüssigkeit durch das Gitter aus Sauerstoffatomen fließen.
Wissenschaftler vermuten, dass dieses merkwürdige Eis einen großen Teil des Inneren von Eisriesen wie Uranus und Neptun ausmachen könnte und damit zur Erklärung ihrer ungewöhnlich starken und abweichenden Magnetfelder beitrage.
Da im tiefen Erdmantel extreme Hitze und Druck herrschen, vermuteten die Wissenschaftler, dass ein solcher super-ionischer Zustand auch in Eisenlegierungen aus dem Inneren unseres Planeten vorhanden sein könnte.
He Yu, der Verfasser der Studie und Forscher am Institut für Geochemie der Chinesischen Akademie der Wissenschaften, sagte, der innere Erdkern enthalte leichte Elemente, darunter Kohlenstoff, Sauerstoff und Wasserstoff. Sie gehören zu den am häufigsten vorkommenden Chemikalien im Sonnensystem und wurden wahrscheinlich während der Entstehung des Erdkerns in diesen eingebracht.
Anhand von Computersimulationen und seismischen Daten entdeckten He Yu und sein Team, dass sich die Eisenlegierungen aus dem inneren Erdkern, die diese leichten Elemente enthalten, ähnlich wie super-ionisches Eis verhielten, d. h. die Eisenatome waren wie ein Festkörper fixiert, während die leichten Elemente wie eine Flüssigkeit umher schwebten.
„Dies deutet darauf hin, dass sich der innere Erdkern nicht in einem konventionellen festen Zustand befindet, sondern in einer super-ionischen Phase, die aus festem Eisen und schwebenden leichten Elementen besteht“, sagte er.
„Diese Entdeckung hat unser Verständnis des inneren Kerns aufgefrischt und könnte neue Anhaltspunkte für die Untersuchung der inneren Struktur der Erde, der seismischen Bewegung, des Erdmagnetfelds und anderer wichtiger wissenschaftlicher Themen liefern.“
Das Magnetfeld der Erde wird beispielsweise durch die Umwälzungen im Kern des Planeten angetrieben. Dieses Feld spielt eine entscheidende Rolle dabei, den Planeten bewohnbar zu machen, da es geladene Sonnenwindteilchen ablenkt, die andernfalls unsere Atmosphäre zerstören und lebende Organismen und die Elektronik auf dem Boden beschädigen könnten, sagte er.