Shao Yidi studiert an einer Universität in einer mittelgroßen chinesischen Stadt, in der die Preise vergleichsweise niedrig sind. Jeden Monat geben ihr ihre Eltern 1.500 Yuan für den Lebensunterhalt. „Am Ende eines jeden Monats kann es sein, dass ich noch 700 oder 800 Yuan in meinem Portemonnaie übrig habe“. Außerdem nutzte sie die Sommer- und Winterferien, um zu arbeiten, so dass sie mittlerweile gewisse Geldmenge gespart habe. So kam Shao Yidi auf die Idee, in gewisse Finanzprodukte zu investieren.
Der Bericht „Young Stockholders 2021“, der unlängst vom Marktforschungsinstitut Mob veröffentlicht wurde, zeigt, dass im vergangenen Jahr mehr als 60 Millionen neue Aktionäre das mobile Internet für den Aktienhandel nutzten. Fast 50 Prozent dieser Aktionäre seien nach 1990 geboren, heißt es im Bericht.
Shao Yidi kam zum ersten Mal auf die Idee, ihr Geld zu investieren, als sie zufälligerweise eine Investitionswerbung in einer mobilen Bezahlsoftware sah. „Die Werbung erinnerte mich daran, dass ich mein brachliegendes Geld nutzen könnte, um mehr Geld zu verdienen. Ich hatte das Gefühl, dass es perfekt zu meiner aktuellen Situation passt“, sagte Shao. So versuchte Shao Yidi, in die Finanzprodukte einer Versicherungsgesellschaft zu investieren. Zu ihrer Überraschung konnte damit ihr kleines Ziel, „Geld aus Geld zu machen“, erreicht werden.
Zusätzlich zu den Versicherungsprodukten hat sie nunmehr versucht, in weitere Finanzprodukte wie Anleihen und Fonds zu investieren. Für sie sei der Versuch, in verschiedene Produkte zu investieren, ausgerechnet ein Lernprozess. Shao Yidis Investment-Fähigkeiten werden immer ausgeprägter.
Für Zhou Hongru, Studentin an einer Universität in der südwestchinesischen Provinz Sichuan, ist der Kauf von Finanzprodukten mittlerweile bereits zu einem unverzichtbaren Teil ihres Lebens geworden. Ihre Eltern gaben Zhou Hongru eine Geldsumme speziell für Investitionen: „Unter der Anleitung meiner Eltern kaufte ich zwei Arten von Aktien und erhielt inzwischen ein beachtliches Einkommen, wodurch ich zum ersten Mal die Macht des Marktes spürte“, sagte Zhou.
Allerdings ist nicht alles glatt gelaufen für die neuen Investoren. Ein kurzer Einbruch am Aktienmarkt hatte einen Universitätsstudenten in der zentralchinesischen Provinz Henan zu dem Entschluss gebracht, sich nie wieder mit Investitionen zu beschäftigen. Seiner Meinung nach war es aber trotzdem „eine Lebenserfahrung.“
Professor Li Aijun, Direktor des Instituts für Finanzen und Recht an der Universität für Politikwissenschaft und Recht, führt die gegenwärtige Investitionsfreudigkeit der chinesischen Studenten auf folgende Gründe zurück: Es gebe nunmehr Internet-Finanzdienstleistungsmodelle auf dem Markt und die Dienstleistungen erreichten mehr Menschen und seien auch bequemer. Dadurch könnten Studenten Finanzdienstleistungen kennenzulernen und davon zu profitieren. Darüber hinaus hätten etliche Studenten überschüssiges Geld oder zusätzliche Einkommen und damit Stammkapital für ihre Investitionen.
Auf die Frage, ob Studenten sich an Investitionstätigkeiten beteiligen sollten, sagte Shao Yidi, dass Studenten die Fähigkeit haben sollten, unabhängig zu denken, wenn sie Finanzprodukte kaufen, und zunächst überlegen sollten, ob sie die Fähigkeit hätten, Risiken einzugehen.
Shao Yidi ist der Meinung, dass die Universitäten etliche Kurse zum Thema finanzielle Sicherheit anbieten sollten. Aber es gebe keinen Grund, Investmentkurse anzubieten, da das im Hörsaal vermittelte theoretische Wissen und die Investmentpraxis oft auseinanderklaffen.
Zhou Hongru hingegen hat eine positivere Einstellung gegenüber Investmentskursen auf dem Campus. Ihrer Meinung nach können die Studenten im Velauf ihres Lernprozesses langsam verstehen, wie man Kapital sinnvoller nutzen könne. „Folgt nicht blind, sondern tut es im Rahmen eurer Möglichkeiten“, lautet Zhou Honghongs Rat an Neulinge.