In der Abenddämmerung gehen die Bewohner am Yaofangmen-Ruinenpark in der ostchinesischen Metropole Nanjing spazieren. Einige tanzen auf einem freien Platz an der Straßenecke. Ihre Wohnsiedlungen werden gerade erneuert, was den Lebensrhythmus der Bewohner aber nicht ändert. Ein junger Mann mit einem Rucksack geht entlang der Straße. Er hat ein Heft in seiner Hand. Er läuft, schreibt und malt was in sein Heft. Er unterhält sich oft mit den Bewohnern. Die Leute, die ihn kennen, wissen schon, dass es "ihr" Designer für Wohnsiedlungen, Yan Xin, ist, der gerade arbeitet.

Im Mai 2019 lud die Stadt Nanjing Hochschulprofessoren, Experten von Designinstituten und Künstler ein, Vorschläge für die Renovierung von alten Wohnsiedlungen zu machen. Yan Xin, der Mann mit dem Heft, von der Jiangsu Provincial Planning and Design Group, ist für eine Fläche von 0,92 Quadratkilometer um den Yaofangmen-Ruinenpark zuständig.

„Die Hauptsache ist es, die Bedürfnisse der Bewohner zu erfahren“, sagte Yan Xin. Auf seiner Fläche gibt es 13 Wohnsiedlungen, in denen mehr als 20.000 Menschen wohnen. Yan Xin hat im vergangenen Jahr mehrere Symposien mit den Bewohnern organisiert und einen dicken Block mit Notizen vollgeschrieben. Um zu erfahren, was Kinder brauchen und wünschen, initiierte er an den umliegenden Schulen Mal- und Schreib-Wettbewerbe zum Thema „Unsere Wohnumgebung“. Stichworte wie grüne Bäume, schöne Blumen, Imbisse, Sportplätze und alte Straßen wurden aus den Werken der Kinder herausgepickt und in seinem Entwurf berücksichtigt. Morgens und abends um sieben Uhr ging er entlang der Straßen und beobachtete die Bewegungen der Bewohner und zeichnete eine Karte des Fußverkehrs in und um die Wohnsiedlungen.

Dadurch waren ihm die Gewohnheiten und die Bedürfnisse der Bewohner klar: Die Leute gingen nicht gerne in den Park, weil es nur einen Eingang gab. Man musste lange laufen, um rauszugehen. Liebhaber für Gesellschaftstanz versammelten sich gerne am Eingang des Supermarkts, weil es dort hell war. Es gab vor der Grundschule oft einen Stau wegen der vielen Autos und der wartenden Menschen. In dem Entwurf von Yan Xin wurden all dieser Fragen berücksichtigt. Er vermehrte die Zahl der Ein- und Ausgänge für den Park, vergrößerte den Platz vor dem Supermarkt und richtete eine Wartestelle vor der Grundschule ein.

Die 57-jährige Bewohnerin Xia Guiping sagte, früher bezweifelten die Leute, dass ein Designer aus der Planning and Design Group für ihre Umgebung etwas tun könne. Ein solcher Designer konnte ihrer Meinung nach nur hohe Gebäude entwerfen. Aber nach der Verbesserung ihrer Lebensbedingungen würden alle diesen jungen Mann nun für sehr tüchtig halten.

Yan Xin hat für die Wohnsiedlungen ein „Mikro-Glückfonds“ ins Leben gerufen. Dafür zahlen die Regierung, Unternehmen und Bewohner gemeinsam für kleine Renovierungen der Anlagen. Ein Senior hat vor seinem Wohngebäude einen Baum angepflanzt, der für die Vermehrung von Parkplätzen eigentlich hätte gefällt werden sollen. Der Senior schlug vor, dass er selbst den Baum pflegen könne. Die Wohnsiedlung hat deshalb entschieden, eine Subvention aus dem Mikro-Fonds für die Baumpflege anzubieten. Der Baum wurde gerettet. Immer mehr Bewohner sind dadurch ermutigt worden und wollen öffentliche Anlagen pflegen. Ihre Leidenschaft für die gemeinsame Verwaltung der Wohnsiedlungen ist erweckt worden.

„Eigentlich sind alle Designer für Wohnsiedlungen und auch Teilnehmer und Förderer der Gesellschaftsverwaltung“, sagte Yan Xin.

Statistiken der Behörde für Wohnungssicherung und Liegenschaften der Stadt Nanjing zufolge sind seit 2016 rund eintausend alte Wohnsiedlungen in der Stadt renoviert worden. Davon profitieren rund 300.000 Bewohner. Während des 14. Fünfjahresplans wird Nanjing die Renovierung von Wohnsiedlungen, die vor 2000 erbaut wurden, fertigstellen. Designer wie Yan Xin werden weiterhin auf den Straßen der Stadt aktiv sein.