Chinas Lebenswissenschaften haben in den vergangenen Jahren sowohl hinsichtlich der Forschung als auch bei der Entwicklung relevanter Industriebranchen enorme Fortschritte gemacht, aber ihre übermäßige Abhängigkeit von importierten Geräten und Verbrauchsmaterialien sowie ausländischen Datenbanken könnte die Entwicklung des Sektors einigermaßen behindern, sagten unlängst etliche Experten.
Die China Union of Life Science Societies, eine Organisation unter der Schirmherrschaft des Chinesischen Vereins für Wissenschaft und Technologie, ist eigenen Angaben zufolge derzeit dabei, eine Vorlage über den Status und die Forschungserrungenschaften der chinesischen Lebenswissenschaften auszuarbeiten.
Wang Xiaoning, ein bekannter Immunologe und Generalsekretär des Vereins, sprach vor kurzem während einer Pressekonferenz von dem geplanten Papier und sagte, dass China inzwischen bereits zu einem der Global Players in der biowissenschaftlichen Forschung aufgestiegen sei, mit dem weltweit größten Talentpool, den meisten Patenten und der höchsten Wachstumsrate bei Forschungsgeldern und akademischen Veröffentlichungen.
China verfüge überdies über eine sich dynamisch entwickelnde biomedizinische Industrie und sei mittlerweile weltweit führend bei der Stammzellenforschung, der Gentherapie und anderen relevanten Zukunftstechnologien, sagte Wang.
„Unsere Leistungsfähigkeit zur Entwicklung von Medikamenten hat sich verbessert, von der Reproduktion dessen, was andere getan haben, hin zur selbständigen Entwicklung erstklassiger Medikamente. Etliche unserer Produkte werden allmählich weltweit anerkannt“, sagte Wang und fügte hinzu, dass China allein im Jahr 2019 insgesamt 56 auf eigene Faust entwickelte neue Medikamente zugelassen habe.
Chinas pharmazeutische Industrie sei jedoch noch stark von importierten Geräten und Verbrauchsmaterialien abhängig, darunter Fläschchen, Enzyme und Filterbeutel. Eine leicht erkennbare Auswirkung waren die hohen Kosten für die Herstellung von COVID-19-Diagnosekits, besonders in den ersten Tagen der Pandemie, so Wang.
Nach Auffassung von Wang ist der größte einschränkende Faktor wahrscheinlich die übermäßige Abhängigkeit chinesischer Wissenschaftler vom Zugriff auf ausländische wissenschaftliche Datenbanken wie etwa PubMed, einer kostenlosen Suchmaschine für biomedizinische und gesundheitswissenschaftliche Literatur, die der US-Regierung gehört.
Sollte die US-Regierung beschließen, chinesischen Forschern den Zugang zu PubMed zu sperren oder enorme Gebühren für den Zugriff auf die wissenschaftliche Literatur und Daten zu verlangen, würde dies Chinas Fähigkeit zur entsprechenden Forschung stark behindern, sagte Wang.
Um derartige Probleme anzugehen, plädierte Wang dafür, dass die chinesische Regierung mehr in die einschlägigen Bereiche investieren solle. Dazu gehören unter anderem der Aufbau von Plattformen, mehr Mittel für die Grundlagenforschung im Bereich Ausrüstung und Verbrauchsmaterialien und die Optimierung der Bewertungsstandards für Talente, Projekte und Produkte.
Qin Chuan, eine Forscherin bei der Chinesischen Akademie der Medizinwissenschaften, sagte, chinesische Forscher und Unternehmen gingen seit Jahrzehnten davon aus, dass es viel bequemer sei, hochwertige Verbrauchsmaterialien und Geräte aus dem Ausland zu importieren, als sie auf eigene Faust zu entwickeln.
In letzter Zeit seien sich viele Forscher jedoch zunehmend der Auswirkungen einer solchen Abhängigkeit bewusst geworden, da ihre Forschung darunter leiden könne, wenn ausländische Institutionen sich weigerten, Materialien zu exportieren oder nicht mehr an deren Herstellung interessiert seien, sagte Qin Chuan.