Die hängenden Rattan-Leiter, die die Dorfbewohner früher benutzten. (Foto von VCG)
Das Dorf Atulie‘er im Autonomen Bezirk Liangshan der Yi befindet sich auf einer 800 Meter hohen Klippe in den abgelegenen Bergen der südwestchinesischen Provinz Sichuan. Das „Klippendorf“ wurde vor einigen Jahren über Nacht landesweit bekannt, als ein Internetnutzer postete, wie gefährlich es für die Einwohner war, das Dorf zu verlassen: Um von der 800 Meter hohen Klippe runterzukommen, mussten sie 17 Abschnitte hängender Rattan-Leiter hinabsteigen, die bereits mehrere Menschenleben gekostet hatte.
Ende 2016 wurde eine drei Kilometer lange Stahlleiter mit 2.556 Stufen gebaut, die von der lokalen Regierung finanziert wurde. Sie ermöglicht es den Dorfbewohnern endlich, die Klippe sicher hinauf- und hinunterzuklettern.
Ein Bauer verkaufte per Livestreaming Walnüsse auf dem drei Kilometer langen Stahlleiter. (Foto von VCG)
Seitdem das Dorf mit 5G abgedeckt ist, ist es durch Livestreams noch bekannter geworden. Immer mehr Touristen aus dem ganzen Land wollen dieses einzigartige Dorf besuchen, das nur mithilfe einer Stahlleiter zu erreichen ist.
Im Mai 2020 wurden alle 84 armen Haushalte des Dorfes in eine neue Gemeinde am Fuß der Klippe umgesiedelt. Anschließend haben viele Dorfbewohner ihre alten Lehmhäuser in Hotels umgewandelt und stellen sie seitdem Touristen zu einem Preis von 50 Yuan RMB (6,4 Euro) pro Zimmer pro Nacht zur Verfügung. Allerdings waren die alten Lehmhäuser für Regen und Wind anfällig, sodass die Bewohner sie renovieren und umbauen mussten.
Die neue Gemeinde am Fuß der Klippe. (Fotos von VCG)
Mou‘se Subure ist auch im Mai in die neue Gemeinde am Fuß der Klippe umgezogen. Sein neues Haus hat drei Schlafzimmer und sogar ein Büro für seine Kinder. Er hat nicht einmal 10.000 Yuan RMB (1.283 Euro) für das Haus bezahlt, das mit verschiedenen Haushaltsgeräten wie Flachbildfernseher, Induktionsherd und Waschmaschine ausgestattet ist. Die neue Gemeinde sei sauber, nachts gut beleuchtet und mit Geschäften und Schulen ausgestattet, so Mou‘se.
Seit einiger Zeit baut er ein neues Haus auf der Klippe, das er als Hotel mit fünf weiteren Haushalten gemeinsam betreiben wird. Er verbringt jeden Tag acht Stunden damit, die Stahlleiter hoch und runter zu klettern, um Baumaterial wie Zement und PVC-Fliesen in das alte Dorf zu tragen. Er sagt: „Ich werde zwei Schichten PVC-Ziegel auf dem Dach des Hauses verlegen und den Boden mit Zement pflastern, damit das Haus im Winter warm und im Sommer kühl ist.“
Obwohl er 2020 gerade erst die Armutsgrenze überschritten hat, macht sich Mou'se keine Sorgen um das Geld für den Bau des Hotels. „Im vergangenen April habe ich über 70 Schafe gekauft. Jetzt sind es 120, wenn man alle Jungen mitzählt.“ Die Schafherde wurde von einer Firma bestellt und bringt seiner Familie ein Nettoeinkommen von über 40.000 Yuan RMB (5.152 Euro). Außerdem haben Mou'se und andere Dorfbewohner das Nutzungsrecht von etwa 13,33 Hektar Land für den Olivenanbau an ein landwirtschaftliches Unternehmen übertragen. Viele Dorfbewohner, darunter auch Mou'se, wurden von dem Unternehmen angestellt, um sich um die Olivenbäume zu kümmern, wodurch jeder von ihnen ein monatliches Gehalt von über 2.000 Yuan RMB (257 Euro) erhält. 2020 wurden die Oliven zum ersten Mal geerntet. Mou’se erklärt, aus 50 Kilogramm Oliven könnten 6,5 Kilogramm Olivenöl gewonnen werden, das sich sehr gut verkaufe.
Mou'se blickt zuversichtlich in die Zukunft: „Durch die Entwicklung des Hotelgewerbes können wir noch mehr Touristen anlocken und die lokalen Produkte bestimmt noch besser verkaufen.“