Im feudalen China hatten Frauen einen niedrigen sozialen Status. Sie waren finanziell von ihrem Ehemann abhängig, lebten nach der Heirat im Elternhaus ihres Mannes und wurden nicht mehr als Angehörige ihres eigenen Elternhauses betrachtet.
Heutzutage hat sich die Situation erheblich verändert. Frauen sind berufstätig und gleichberechtigt. Das Ehepaar lebt nach der Heirat nicht wie früher bei den Eltern des Mannes, sondern in einem eigenen Haus. Aufgrund der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung in den vergangenen Jahren ist in den südöstlichen Provinzen Jiangsu und Zhejiang „Liangtouhun“, eine neue Eheform, entstanden, wobei das Ehepaar zwei Kinder hat, die den Nachnamen des Vaters bzw. der Mutter tragen. Die vierköpfige Familie lebt abwechselnd bei den Eltern des Mannes und der Frau.
Experten führen den Grund für dieses neue Phänomen auf die Ein-Kind-Politik und den Wunsch der Familie der Ehefrau auf die Fortführung des Familiennachnamens zurück. Die seit 2016 praktizierte Politik, dass jedes Ehepaar ein zweites Kind haben darf, hat eine gesetzliche Grundlage für diese neue Eheform geschaffen.
Das Dorf Minfeng liegt im westlichen Vorort der Stadt Hangzhou, Provinz Zhejiang. Im Prozess der Urbanisierung hat sich auch die Einstellung der Dorfbewohner dementsprechend geändert. Xiao Xiao und ihr Mann sind beide Bewohner des Dorfes Minfeng. Das Ehepaar hat zwei Töchter, die älteste zehn Jahre alt und die jüngste sieben. Wie vor der Heirat vereinbart trägt die älteste Tochter den Nachnamen der Mutter und die jüngste den des Vaters.
Eine Felduntersuchung von, Zhao Chunlan, Dozentin am Fremdspracheninstitut der Provinz Zhejiang, ergab, dass über 70 Prozent der Ehepaare im Dorf Minfeng, die in den 1980er Jahren geboren sind, sich für „Liangtouhun“ entschieden hätten.
„Es ist üblich im Dorf Minfeng, dass die Probleme der Fortführung der Sippe, der Seniorenpflege und des Erbes von Familien, die nur eine Tochter haben, durch das abwechselndes Zusammenleben mit den Eltern des Mannes und der Frau und die Fortführung des Nachnamens der Familie der Frau und des Mannes von jeweils einem der beiden Kinder gelöst werden.“
Zhao Chunlan hat über 20 Ehepaare befragt und die Merkmale von „Liangtouhun“ zusammengefasst. Erstens hat das Paar vor der Heirat vereinbart, zwei Kinder zu haben, die den Nachnamen der Frau bzw. des Mannes tragen. Zweitens wird auf Verlobungsgeschenke und Mitgift verzichtet. Drittens leben das Ehepaar und die Kinder abwechselnd im Elternhaus des Mannes und der Frau.
Zhao Chunlan spricht von einer Versöhnung zwischen Tradition und Moderne. Aufgrund der hochentwickelten Wirtschaft sind die Bewohner des Dorfes Minfeng offen für neue Dinge. Gleichzeitig pflegen sie traditionelle Denkweisen und achten sehr auf die Fortführung ihrer Sippe.
Bei „Liangtouhun“ handelt es sich um ein Bündnis von zwei Familien. Die Familie des Mannes zeigt dabei ihr Verständnis für den Wunsch der Familie der Frau auf die Fortführung ihres Stammes. Und anders als in Ehen traditionelle Art wird sich dabei auch um die Pflege der Eltern der Ehefrau gekümmert.
Xiao Xiao genießt das Zusammenleben mit den Eltern sehr: „Wir leben ein paar Tage bei meiner Schwiegermutter und später ein paar Tage bei meiner Mutter. Die Beziehungen zwischen uns sind ziemlich locker.“
Wie Xiao Xiao sind viele befragte Ehepaare sehr zufrieden mit dem aktuellen Zustand ihres Lebens. Die Eltern helfen bei der Kinderbetreuung, was das Ehepaar beruflich und im Alltag sehr entlastet hat. Auch die Eltern genießen die Freude des Zusammenlebens mit ihren Kindern sehr. Es ist eine Art seelische Trost für sie.
Laut Zhao Chunlan ist die Akzeptanz von „Liangtouhun“ trotz einiger Misserfolgsfälle immer höher. Allerdings nimmt die Mehrheit von Experten eine skeptische Haltung ein.
„China ist ein Land mit großer territorialer Ausdehnung und großen regionalen Kulturunterschieden. Es ist daher unmöglich, dass diese moderne Eheform allgemein akzeptiert wird“, meint Zhao Chunlan.
Gemäß einer Untersuchung, an der 2032 Internetznutzer beteiligt waren, vertraten 47,5 Prozent der Befragten die Ansicht, dass die Kinder den Nachnamen des Vaters tragen sollten. 54,7 Prozent der Befragten konnten es akzeptieren, dass die Kinder den Nachnamen der Mutter tragen. 23,2 Prozent der Befragten sprachen sich gegen diese neue Eheform aus.