Frau Li steigt jeden Morgen um acht Uhr in die Shanghaier U-Bahn ein. Die Fahrt dauert etwa eine halbe Stunde. Um etwa 8:20 Uhr beginnt sie, mit ihrem Handy das Frühstück zu bestellen. Eine Tasse Americano und ein Croissant, das ist ihre westliche Auswahl für heute. Kaum hat sie online bezahlt, erhält sie sofort einen vierstelligen „Code“. Um halb neun steigt sie aus der U-Bahn aus und geht direkt zu einem großen Schrank mit vielen Fächern. Nachdem sie auf einer Tastatur den „Code“ eingegeben hat, öffnet sich die Tür eines Fachs. In ihm stehen ein duftender Kaffee und das ofenfrische noch warme Croissant. Frau Li nimmt beides mit ins Büro und der Tag kann nun beginnen.
Es ist ein brandneues Frühstücksmodell in der Metropole Shanghai, das immer mehr Angestellte und Studenten begeistert. Es spare viel Zeit und verschiedene Menüs ständen zur Verfügung. Gestern habe sie eine traditionelle chinesische Kombination mit einem Becher lila Reissuppe und zwei gefüllte Dampfbrötchen, also „Baozi“, ausgewählt, teilte uns Frau Li mit. Darüber hinaus ist ein solches Selbstbedienungs-Frühstück gar nicht teuer. Die meisten Menüs, seien chinesisch oder westlich, kosteten ungefähr zehn Yuan, umgerechnet etwa 1,2 Euro. Für die Angestellten in Metropolen wie Shanghai ist ein solches Modell natürlich von Vorteil. Aber können die Betreiber damit Geld verdienen?
Herr Wang führt seit Juli 2019 einen solchen digitalisierten Frühstücksladen in einem Bürogebäude im Bezirk Pudong in Shanghai. Seit zwei Monaten beginnt dieses Geschäftsmodell ein Plus zu machen. An jedem wochentäglichen Morgen kann er 700 bis 800 Portionen verkaufen und der Tagesumsatz beläuft sich auf etwa 9000 Yuan. Zum Vergleich: Bei einem konventionellen Frühstückgeschäft oder einem Mini-Laden werden jedem Morgen höchstens 300 Portionen verkauft.
Das innovative Geschäftsmodell wird auch von der Shanghaier Handelskommission gelobt und tatkräftig unterstützt. Wie Zhu Wenqun, Vorsitzende der Abteilung für Entwicklung des Dienstleistungssektors der Kommission, mitteilte, sollten solche „Abhol-Fächer“ bis Ende des Jahres in hundert Frühstücksgeschäften, Miniläden und Supermärkten aufgebaut werden. „Man bestellt Essen oder andere Waren per Handy und holt sie selbst ab. Das spart nicht nur Zeit und Arbeitskräfte, sondern verhindert auch menschlichen Kontakt, was in der Pandemie-Zeit einen großen Sinn macht“, so Frau Zhu weiter.
Statistiken zufolge wird der gesamte Umsatz der Frühstückbranche in China im Jahr 2021 nahezu zwei Billionen Yuan erreichen. Alle Marktbeteiligten, seien es Restaurants, Supermärkte, Miniläden oder Lieferdienste, wollen durch innovative Servicemodelle mehr von der großen Torte haben. Für die Konsumenten, insbesondere diejenigen, die in der morgendlichen Rushhour kaum Zeit für ein warmes Frühstück haben, ist eine solche Art von Konkurrenz und Innovation immer eine gute Nachricht.