Gao Jiqing lebt im Dorf Boyu im Autonomen Bezirk der tibetischen Ethnien Gannan in der nordwestchinesischen Provinz Gansu. Das Dorf ist von schönen Bergen und üppigen Wäldern umgeben. Eine perfekte kleine Idylle. Mittags hat Gao Jiqing besonders viel zu tun. Er muss die Touristen bedienen, die zum Essen kommen. Dabei stellt er ihnen immer gerne die lokalen Attraktionen vor.
Wang Guoliang ist Vorsteher von Boyu. Er sagt, nachdem das Dorf drei verschiedene Entwicklungsmodelle erlebt habe, sei es ihm vor einigen Jahren endlich gelungen, durch Öko-Tourismus einen Entwicklungsweg zum Wohlstand einzuschlagen.
Nach der Reform und Öffnung aktivierte die Warenwirtschaft schnell jede Ecke Chinas. Die Bewohner von Boyu richteten damals ihren Blick auf den üppigen Naturwald in den Bergen. Anfang der 1990er-Jahre waren viele Dorfbewohner trotz eines nationalen Verbots durch Abholzung reich geworden. Die Geldbörsen waren zwar voller, aber die Berge wurden immer kahler. Seit der Einführung des Schutzprojekts für Naturwälder 1997 gibt es sehr strenge Verordnungen gegen illegale Abholzung. Einige Dorfbewohner mussten Boyu verlassen, um eine Arbeitsstelle zu finden und ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Andere widmeten sich wieder der Feldarbeit. Immer mehr junge Leute verließen das Dorf. Senioren und Kinder blieben zurück. Das einst „reiche“ Boyu rutschte unter die Armutsgrenze.
Seit dem Beginn der gezielten Armenhilfe führt Gannan im gesamten Bezirk eine „Umweltrevolution“ durch. Dank einer Reihe von Umweltschutzmaßnahmen wie der Rückgewinnung von Wäldern und Weiden aus Feldern wurde wieder ein Gleichgewicht zwischen Vieh und Grass hergestellt. Die kahlen Berge sind auch wieder mit üppigen Wäldern bedeckt. Die schönen Landschaften und günstigen Verkehrsbedingungen verleihen Gannan den großen Vorteil, ökologisch zivilisierte Dörfer aufbauen zu können.
2017 ermutigte Wang Guoliang acht Haushalte dazu, als Vorreiter ihre eigenen Höfe umzubauen und sie als Pensionen mit tibetischer Prägung zu betreiben. Jetzt betreiben 75 der 193 Haushalte in Boyu Pensionen und verzeichnen jährlich große Gewinne. Der Tourismus im Dorf Boyu boomt. Es war eines der ersten Wohlstandsdörfer in Gannan, die sich auf Tourismus konzentrierten. Viele Dorfbewohner, die viele Jahre lang nicht zu Hause waren, sind wieder ins Dorf zurückgekehrt, um sich für Bauprojekte, den Pensionsbetrieb, die einzigartige lokale Viehzucht oder einfach als Köche zu engagieren.
Gannan zählt inzwischen 1.303 ökologisch zivilisierte Wohlstandsdörfer, von denen mehr als 400.000 Landwirte und Hirten profitieren.