Im Restauierungsatelier des chinesischen Seidenmuseums herrscht eine unheimliche Stille. Einige Textilrestauratorinnen in weißen Kitteln, mit Maske und Handschuhen sind tief in ihre Arbeit versunken.
Laut Wang Shujuan, stellvertretende Direktorin der Technikabteilung des Seidenmuseums stammen die zur Restaurierung hierher gebrachten Kulturgegenstände aus verschiedenen Landesteilen. „Der erste Schritt vor der Restaurierung ist die Untersuchung der Schädigung. Manchmal fühle ich mich wie eine Ärztin, nur die Patienten sind alle Textilrelikte“, sagt Wang Shujuan.
Vor Beginn der Restaurierung müssen eine Menge Vorbereitungen erledigt werden, wie die Desinfizierung, die Staubentfernung, die Reinigung und die Planierung. Dabei sind die Untersuchung und Analyse der Schädigung sehr wichtig, denn jedes Kulturrelikt muss maßgeschneidert restauriert werden.
Im Vergleich zu anderen Kulturgegenständen ist die Restaurierung von Textilien viel schwieriger. Da es sich dabei um Proteinfasergewerbe handelt, haben die meisten von ihnen Probleme wie Fäulnis, Schimmelung und Brüchigkeit. Selbst bei leichter Berührung können sie zerfallen. Textilien, die mit Dekorationen wie Spitzen versehen sind, machen den Restaurierungsprozess noch komplizierter.
Die Restaurierung von Textilien kann Monate oder sogar Jahre dauern. Da die Restauratoren bei der Arbeit für eine längere Zeit die gleiche Haltung beibehalten müssen, leiden viele von ihnen an Berufskrankheiten wie Halswirbelkrankheit oder Schulter-Periarthritis. „Auch an den markanten Gestank, den die ausgegrabenen Kulturrelikte verströmen, muß man sich allmählich gewöhnen“, erklärt Wang Shujuan.
Nach Wang erfordert die Arbeit der Textilienrestaurierung Geduld, Ruhe und insbesondere Liebe und Leidenschaft für diesen Beruf. „Es gab bei uns viele Praktikenten, jedoch wurden die meisten von ihnen von der Langweile der Arbeit verscheucht“, erzählt Wang.
Die über 20 Mitglieder des Ateliers sind alle Frauen mit einem Durchschnittsalter von mehr als 35 Jahren. Wang gesteht, dass sie sich manchmal auch Sorge um den Nachwuchsmangel und die Fortführung der Restaurationstechnik mache.
So wurde das Arbeitsmodell „Eine Meisterin plus mehrere Nachwuchskräfte“ entwickelt. Unter Leitung einer erfahrenen Restauratorin können die jungen Mitarbeiterinnen in der Praxis viele Erfahrungen sammeln. Beispielsweise wurde ein Brokatgewand mit Taubenmuster aus der Sammlung des Museums von Meister-Restauratorin Liu Shuqi in Zusammenarbeit mit sieben jungen Mitarbeiterinnen in mehr als drei Monaten restauriert. Das Kulturrelikt war schwer beschädigt. Für 80 Prozent der Fläche musste die Nadelverlegetechnologie angewendet werden. Der Stichlinienabstand betrug nur vier Milimeter. Wang bezeichnet die Restaurierung als ein Teufelstraining, wodurch die jungen Restauratorinnen ihre Technik massiv verbessert haben.
Das Seidenmuseum hat überdies vielen Restauratoren in anderen Landesteilen geholfen, ihre Technik zu verbessern. Beispielsweise wurde 2011 das erste Studio für die Restaurierung von Textilien im Uigurischen Autonomen Gebiet Xinjiang errichtet. Bislang gibt es insgesamt sechs Arbeitisstudios in China und Übersee, die über 50 Restauratoren für Textilien ausgebildet haben.
Für Wang Shujuan sind die Jahrhunderte oder Jahrtausende alten Textilien keine kalten Gegenstände, sondern Patienten oder sogar Freunde. „Wir müssen die schwer beschädigten Kulturrelikte zunächst vor dem Aussterben retten und sie dann wieder lebendig machen“, so Wang Shujuan.