„Kein Mobilfunk, keine Verkehrsmittel, nicht einmal dicke Mäntel im bitterkalten Winter...“, so beschrieben Ökologen die Bedingungen ihres alltäglichen Wildtierschutzes im Changbai-Gebirge unweit der Stadt Huichun in der nordostchinesischen Provinz Jilin vor mehreren Jahren. Seit dem Einsatz hochauflösender Kameras mit Gesichtserkennung sind die Forscher nun in der Lage, einen sich im Wald reckenden sibirischen Tiger in Echtzeit zu beobachten, während sie in einem gemütlichen, warmen Raum in der Forschungsstation vor einem Bildschirm sitzen. Vor drei Jahren wäre dies noch undenkbar gewesen.
Feng Limin, der stellvertretende Leiter der Forschungsstation, erinnert sich an die ineffiziente Arbeit seines Teams, die es aufgrund mangelnder moderner technologischer Ausrüstung hinnehmen musste. Er sagt: „Damals verwendeten wir einige primitive Infrarot-Kameras. Alle drei Monate mussten die Akkus gewechselt werden. Beim Akkuwechsel haben wir dann die aufgenommenen Bilder mitgenommen, um sie zu analysieren. Das heißt: Die Beobachtung deckte nur eine sehr begrenzte Fläche ab und war bei weitem nicht aktuell.“ Damals sei es völlig unmöglich gewesen, die Sibirischen Tiger in ihrer freien Wildbahn in Echtzeit zu beobachten, so Feng weiter.
Außerdem sei die Bergregion ein Funkloch. Es sei daher ein großes Sicherheitsrisiko für die Tierschützer gewesen, wenn sie auf ihrer Inspektionstour Kontakt zur Station verloren, was häufig vorgekommen sei.
Diese Probleme konnten erst im Jahr 2017 behoben werden. In Zusammenarbeit mit dem chinesischen Technologiekonzern Huawei und der JiShi Media CO., LTD. gelang es den Ökologen, in den Wäldern ein 700 MHz-Telekommunikationsnetzwerk aufzubauen. An zahlreichen Stellen inmitten des Changbai-Gebirges wurden intelligente Infrarotkameras mit Gesichtserkennung angebracht, die imstande sind, hochauflösende Bilder und Videos in Echtzeit an die Station zu schicken. Auch Daten über Boden, Wasser und Luft, die von überall in den Wäldern angebrachten Sensoren gesammelt werden, können umgehend von den Forschern ausgewertet werden.
Feng Liming sagt: „Wir erforschen derzeit schwerpunktmäßig Sibirische Tiger. Dabei spielen die Erkenntnisse über ihr Habitat eine unentbehrliche Rolle.“
Ein Sibirischer Tiger lebt in der Regel in einem Revier von 200 bis 700 Quadratkilometer. Feng zufolge sollte sich der Habitatschutz für Sibirische Tiger daher auf bergige Regionen konzentrieren, in denen die landschaftsökologischen Bedingungen ihren typischen Lebensräumen am besten entsprechen, damit die Tiger frei und ungestört leben und sich fortpflanzen können.
Die Bemühungen scheinen sich ausgezahlt zu haben. Durch die großflächigen und vernetzten Infrarotkameras und vor allem mithilfe der Gesichtserkennung gelang es den Forschern mittlerweile, die Aktivitäten von sechs wachsenden Tiger-Familien und fünf Leopard-Familien in Echtzeit zu beobachten. Das Verhältnis der Baby-Tiger zur gesamten Population liegt den Forschern zufolge idealerweise bei 30-35 Prozent.
Das vernetzte Beobachtungssystem soll in absehbarer Zukunft im gesamten nationalen Naturschutzpark im Changbai-Gebirge eingerichtet werden. Dann könnten mehr als 100.000 hochauflösende Kameras mit Gesichtserkennung flächendeckend im Einsatz sein.