Frustriert über den Mangel an geeigneten Orten zum Lernen in Shanghai hat Gao Mengjun im Dezember 2019 einen Studienraum namens „Heizu“ gegründet, nachdem sie so etwas in einer koreanischen Fernsehserie gesehen hatte. „Ich habe vor einigen Jahren Japanisch studiert und konnte keinen komfortablen Ort zum Lernen in der Stadt finden. Deshalb beschloss ich, diesen Raum einzurichten“, erklärt die 28-jährige gebürtige Shanghaierin. „Es gibt zu viele Ablenkungen, wenn man zu Hause lernt. Gleichzeitig gibt es in Shanghai einfach zu viele Studenten, die auf Plätze in Bibliotheken warten. Cafés sind aber zu laut, während Coworking Spaces teuer sind.“
Gao ist nicht die einzige, die diese Meinung vertritt. Huang He geht fünf Tage in der Woche in den Studienraum, um sich auf seine Jura-Prüfungen vorzubereiten. Der 24-Jährige sagt: „Es ist für mich schwierig, mich auf mein Studium zu konzentrieren, da ich ein Kind zu Hause habe.“ Eine solche Einrichtung sei für ihn ideal, weil sie ruhig und billig sei sowie die Lern-Atmosphäre fördere, so Huang He weiter.
Der Studienraum „Heizu“ befindet sich im Dongfang-Turm im Shanghaier Stadtteil Pudong New Area. Er misst über 300 Quadratmeter und verfügt über 83 Kabinen. Mit 980 Yuan RMB (etwa 123 Euro) für einen Monat ist er billiger als die Anmietung eines Coworking Office.
„Heizu“ besitzt derzeit 500 Mitglieder, obwohl das Unternehmen bereits einen Monat nach seiner Eröffnung von der COVID-19-Pandemie getroffen wurde. Gao sagt, die meisten ihrer Mitglieder seien in den 1980er- und 1990er-Jahren geboren. „Angestellte sind unsere Hauptkunden. Einige von ihnen müssen sich auf ihre Zertifizierungsprüfungen vorbereiten, einige haben Teilzeitjobs oder brauchen einfach nur einen ruhigen Ort, um ihre Arbeit zu erledigen.“
Die 28-Jährige erklärt weiter, in China befinde sich dieser Markt noch in der Anfangsphase, während er in Japan und Südkorea bereits gereift sei. Aus diesem Grund könne man in Shanghai viele ähnliche Räumlichkeiten finden, den meisten mangele es aber an professioneller Ausstattung.
Um sich von anderen Konkurrenten abzuheben, entschied sich Gao für hochwertiges Bau- und Designmaterial. Sie testete 138 Lampentypen, bevor sie sich für ein Modell entschied, das eine kühlere Farbtemperatur von 4.500 Kelvin hat, die ideal zum Lernen ist. „Die Leute werden nicht müde, wenn sie längere Zeit unter diesen Lichtverhältnissen lernen. Unser Studienraum verfügt darüber hinaus über einen großen Entspannungsbereich und alle Kabinen sind mit hochwertigen Tischen und Stühlen ausgestattet, in denen sich die Mitglieder wohlfühlen“, erklärt die junge Unternehmerin.
Gao plant auch eine Zusammenarbeit mit Industrieparks, damit deren Arbeitnehmer einen Raum haben, in dem sie jenseits der Arbeit lernen können.
Dem Marktberatungsunternehmen iiMedia Research zufolge hat die Sharing-Wirtschaft in China, zu der auch gemeinsam genutzte Büro- und Unterbringungsräume gehören, in den vergangenen Jahren ein schnelles Wachstum verzeichnet. Im Jahr 2018 hat sie demnach einen Wert von 7,4 Milliarden Yuan RMB erreicht und in diesem Jahr wird sie voraussichtlich neun Billionen Yuan RMB übersteigen.