Viele junge Chinesen haben inmitten der COVID-19-Pandemie gelernt, ihre Brieftaschen vorsichtiger zu öffnen. Die 21-jährige Ma Tianhui, die in Beijing Marketing studiert, sagt, dass sie jetzt, wo sie zu Hause bleibe, das Geld spare, das sie zuvor für Restaurants, Ausflüge und Einkäufe ausgegeben habe. Früher gab die Studentin oft ihr gesamtes monatliches Taschengeld in Höhe von 2.000 Yuan (etwa 253 Euro) aus. Die düsteren Schlagzeilen über Entlassungen und Arbeitslosigkeit haben jedoch ihre Aufmerksamkeit erregt. Ma sagt, sie habe geplant, nach ihrem Studienabschluss im nächsten Jahr eine Wohnung in Beijing zu mieten und dort zu arbeiten. „Die Pandemie hat mich über die Zukunft nachdenken lassen und darüber, welche Art von Leben ich als unabhängiger Erwachsener leben möchte.“
Die Studentin hat zwei Fernpraktika absolviert – über Datenanalyse und den Betrieb neuer Medien – und nutzt den Großteil ihrer Freizeit für Online-Kurse, um Geld zu verdienen und berufliche Fähigkeiten zu erwerben.
Die Coronavirus-Pandemie hat aber nicht nur das Konsumverhalten von Studenten verändert. Liu Yifan ist Mitte 30 und besitzt eine Firma für das Design interaktiver Installationen in Shanghai. Sie sagt, ihr Konsum sei wegen der Einschränkung von Unterhaltungsangeboten und aus Angst, sich bei Reisen oder Ausflügen mit COVID-19 anzustecken, massiv zurückgegangen. „Außerdem ist mein Einkommen gesunken, da viele unserer Kunden, wie Design- und Planungsunternehmen, ihre Aufträge in diesem Jahr verschoben oder abgesagt haben. Ich nehme an, wir werden mindestens zwei Monate untätig bleiben. Es wird ein außergewöhnlicher Sommer“, fügt sie hinzu.
Yun Xin, eine Analystin bei einem Kommunikationsunternehmen in Beijing, sagt, sie habe ihre Ausgaben für Kleidung, Kosmetik und Unterhaltung gekürzt und sei eher bereit, ihr Geld für Gesundheit und Selbstverbesserung auszugeben. Yun erhält durch die Pandemie derzeit nur 85 Prozent ihres Monatslohns. Das Unternehmen hat versprochen, den Mitarbeitern die restlichen 15 Prozent am Jahresende auszahlen. Die 26-Jährige erklärt: „Sparen ist für mich von großer Bedeutung. Ich bin ein Einzelkind. Meinen Eltern geht es gesundheitlich nicht so gut. Ich muss mehr Geld sparen, um auf mögliche Veränderungen in meinem Leben vorbereitet zu sein.“
Zhao Haoxing, Professor der Universität für Industrie und Handel Zhejiang, sagt, ein Grund für den Rückgang des Konsums und die wachsende Sparbereitschaft junger Chinesen sei, dass sie sich Sorgen über ihre Zukunft machten, denn niemand wisse, wie sich die Pandemie global und im Inland entwickeln werde oder wie stark die Gesellschaft und Wirtschaft dadurch in Mitleidenschaft gezogen werden könnten. „Es ist eine Schutzreaktion, die die Menschen in einer Zeit mit viel Unsicherheit haben. Früher hatten nur ältere Menschen die Gewohnheit, Geld beiseite zu legen. Jetzt folgen die jungen Chinesen.“
Auch in den sozialen Medien zeigt sich die Konsumveränderung. Die Social-Media-Plattform Douban, die viele junge Chinesen nutzen, verzeichnete zuletzt eine wachsende Anzahl an Diskussionen zu Themen wie „Konsum reduzieren“, „Minimalistisches Leben“, „Geld sparen“ und „100 Tage lang keine Kleidung kaufen“.