Das neuartige Coronavirus hat damit eine historische Entwicklungschance für Online-Unterricht geschaffen. Gleichzeitig stehen viele Unternehmen in diesem Sektor aber vor einem großen Problem: die zunehmende Verletzung von Urheberrechten.
Ein Investor des Sprachschulungs-Anbieters Rui Ding English erklärt: „Es gibt ein neues Phänomen. Einige Tablettenhersteller verbinden unsere Online-Kurse mit ihren Produkten. Sie verkaufen die Tabletten zusammen mit unseren Kursen zu einem sehr niedrigen Preis. In meiner Provinz ist das bisher noch nicht passiert, aber in anderen Landesteilen, vor allem in südchinesischen Provinzen, hat das Problem der Piraterie enorme Auswirkungen auf unser Unternehmen.“
Rui Ding English ist nicht das einzige Ausbildungsinstitut, das unter Urheberrechtsverletzungen leidet. Ape Counseling, eine der größten Schulungseinrichtungen Chinas mit über 400 Millionen registrierten Nutzern, entdeckte vor kurzem, dass einer ihrer Kurse im Wert von 113 US-Dollar auf anderen Plattformen für weniger als zwei US-Dollar verkauft wurde.
Shi Yantao, Vizepräsident der Franchise-Bildungsmarke SmartStudy, erklärt: „Es ist für uns fast unmöglich, solche unerlaubten Handlungen zu vermeiden oder zu unterbinden. Es sei denn, man verfügt über eine superstarke Technologie, die illegales Herunterladen verhindert.“ Er fügt hinzu, in Fällen von Urheberrechtsverletzungen würden die Unternehmen normalerweise auf das Gesetz zurückgreifen, aber das Problem sei, dass die Raubkopien bereits überall verkauft worden seien und es sei schwierig, sich jedes Mal darum zu kümmern.
Wie viele andere Branchen wurde der Bildungssektor durch den Ausbruch von COVID-19 direkt getroffen. Viele Institutionen waren nicht darauf vorbereitet, ihre Dienste in einem so großen Umfang online anzubieten.
Mit der schnellen Entwicklung des Internets wird Online-Bildung als Branche der Zukunft betrachtet. Die COVID-19-Epidemie hat jedoch den schönen Schein getrübt. Shi sagt: „Ich würde grob sagen, dass bei den meisten Ausbildungsorganisationen 70 Prozent ihrer Geschäfte offline abgewickelt werden. Aber im Moment müssen sie alle Kurse online bringen. Dadurch ist der Wettbewerb auf dem Online-Bildungsmarkt härter geworden und die Werbekosten sind sehr hoch.“
Die SmartStudy-Filiale, in der Shi arbeitet, hat bereits am 26. Januar alle ihre Kurse online gebracht, aber rund 20 Prozent der Kunden entschieden sich dafür, auf die Wiederaufnahme der Offline-Kurse zu warten. „Offline-Kurse sind zwar vorerst ausgesetzt, aber wir müssen immer noch Mieten, Gehälter und andere laufende Kosten zahlen“, so Shi weiter, dessen Unternehmen über acht Millionen Online-Nutzer und knapp 50 Offline-Schulungszentren verfügt. „Wir fördern seit langem das ‚OMO‘-Modell, was in der Bildung ‚online-merge-offline‘ bedeutet. Es geht nicht darum, dass wir versuchen, einander zu ersetzen, sondern Seite an Seite voranzukommen.“
Zhang Xue, Lehrer an der Dritten Haigang Mittelschule in Tangshan in der Provinz Hebei, sieht die gegenwärtige Situation als gute Gelegenheit, um die Bedeutung von Offline-Unterricht hervorzuheben. Er sagt: „Der Unterricht in Klassenzimmern beinhaltet die Interaktion zwischen Lehrern und Schülern und auch Kommunikation zwischen den Schülern. Diese Atmosphäre ist sehr wichtig. Online-Unterricht kann diese Atmosphäre nicht bieten, zumindest nicht unter den gegenwärtigen technologischen Voraussetzungen.“
Fotos von VCG