Die 54-jährige Bai Xiyan ist wegen der Prävention und Kontrolle der Epidemie durch das neuartige Coronavirus COVID-19 seit mehr als einem Monat zu Hause. Sie sitzt aber nicht untätig herum. Sie strickt jeden Tag zwei Paar Hausschuhe und wird damit 80 Yuan (etwa 11,5 US-Dollar) verdienen. "Es ist besser, zu dieser Zeit nicht auszugehen. Ich bleibe zu Hause und mache Hausschuhe, damit ich sie nach der Epidemie verkaufen kann", sagt sie.
Im Dorf Xiayang in der nordwestchinesischen Provinz Gansu ist fast die Hälfte der 970 Dorfbewohner, einschließlich Bai, von Armut betroffen. Die Dorfbewohner leben von der Viehzucht und vom Maisanbau. "Im Winter haben wir keine landwirtschaftliche Arbeit. Die Dorfbewohner haben nichts anderes zu tun, als zu Hause zu bleiben", sagt die Dorfbewohnerin Mu Yan´er. Ihre vierköpfige Familie verlässt sich auf ihren Mann, der einige Gelegenheitsjobs erledigt und weniger als 3.000 Yuan im Monat verdient.
In Xiayang gehen die meisten männlichen Dorfbewohner in große chinesische Städte, um mehr Beschäftigungsmöglichkeiten zu finden, und lassen die Frauen zurück, die sich um die Familien kümmern und landwirtschaftliche Arbeiten verrichten. Um diesen "zurückgelassenen" Frauen zu helfen, mehr Geld zu verdienen und die Armut zu überwinden, hat der Frauenverband von Gansu 2019 ein Ausbildungsprogramm für Frauen in ländlichen Gebieten ins Leben gerufen.
Im November letzten Jahres nahmen 20 arme Dorfbewohnerinnen, darunter Bai und Mu, an einem zweitägigen Ausbildungskurs über die Strickerei teil. Gestrickt werden zum Beispiel Pantoffeln und Hüte. "Zuerst waren die Frauen nicht bereit, an dem Ausbildungskurs teilzunehmen, da die meisten von ihnen ein niedriges Bildungsniveau haben", sagte Zhang Lixia, eine Dorfbeamte in Xiayang. Zhang und ihre Kollegen besuchten die Dorfbewohnerinnen, gingen von Tür zu Tür, um sie zu ermutigen, es zu versuchen. "Es ist leicht zu lernen. Versuchen Sie, Ihre Freizeit zu nutzen, um mehr Geld zu verdienen", sagt Zhang ihnen.
Nach den ersten Schulungskursen lud der Verband jede Woche einen lokalen Handwerker ein, um die Kurse fortzusetzen. Bai gehört zu den ersten Teilnehmerinnen. "Am Anfang war es schwierig, aber nach mehr Übungen bin ich mit dem Stricken vertraut. Jetzt kann ich zwei bis drei Paar pro Tag herstellen", sagt Bai.
Später standen sie vor einer neuen Herausforderung. "Wir haben keinen Marketingkanal. Verglichen mit den Produkten in Einkaufszentren sind unsere nicht gerade exquisit", sagt Zhang. Zhang und ihre Kollegen gaben aber nicht auf, und sie versuchten, auf ihren WeChat-Konten zu werben. Ihre Bemühungen zahlten sich aus. Vor den Feiertagen des Frühlingsfestes kamen mehrere Unternehmen, um mehr als 200 Paar handgemachte Hausschuhe zu kaufen.
"Alle sind glücklich und erleichtert. Obwohl es nicht viel Geld ist, haben wir einen neuen Weg gefunden, um Geld zu verdienen", sagt Bai, die jetzt 800 bis 1.000 Yuan pro Monat verdienen kann.
Nach Statistiken des Frauenverbandes von Gansu haben in den vergangenen fünf Jahren 220.000 arme Frauen von solchen Ausbildungskursen profitiert, mit einem jährlichen Pro-Kopf-Einkommenszuwachs von mehr als 2.000 Yuan.
Zhang ist damit beschäftigt, während der Epidemie Online-Kurse für ihre Dorfbewohnerinnen zu organisieren. "Die Frauen können die Chance nutzen, neue Produkte herzustellen", sagt sie. Sie plant auch die Eröffnung eines E-Commerce-Shops, um den Umsatz nach der Epidemie zu steigern. "Alles wird besser werden und unser Leben auch."