Was sucht man in einer Buchhandlung? Bücher natürlich. Diese Antwort liegt ganz klar auf der Hand. Heutzutage gehen viele junge Chinesen jedoch in Buchhandlungen, weil diese online sehr bekannt sind. Sie wollen dort einfach ein Foto machen, um es online zu posten, damit ihre Freunde sehen, dass sie in dem berühmten Buchladen waren.
In Anlehnung an das berühmte Zitat des argentinischen Schriftstellers Jorge Luis Borges „Ich habe mir das Paradies immer als eine Art Bibliothek vorgestellt“, kommentierte Xiao Ying ein Foto in der Buchhandlung PAGEONE im Stadtzentrum von Beijing mit den Worten „Ich habe das Paradies gesehen.“ Eine Fensterfront im ersten Stock der Buchhandlung bietet einen Ausblick auf das Zhengyangmen-Tor, das auch als Qianmen-Tor bekannt ist. Der Ausblick zieht viele Besucher für Fotos an.
Auch in Shanghai gibt es eine im Internet sehr berühmte Buchhandlung namens Duoyun. Sie befindet sich im 51. Stock des höchsten Gebäudes in Shanghai, dem Shanghai Tower, und ist damit die höchste Buchhandlung Chinas. Am Wochenende zählt sie täglich nahezu 12.000 Besucher und auch an Werktagen muss man fast drei Stunden anstehen, um hinein zu kommen.
So unterschiedlich sie auch sein mögen, alle Buchhandlungen, die im Internet berühmt geworden sind, besitzen eine Gemeinsamkeit: Sie sehen nicht aus wie traditionelle Buchhandlungen. Ihre Designer haben im Durchschnitt fünf bis sechs Monate benötigt, um ihren besonderen Stil zu finden.
Seit etwa drei Jahren verschwinden immer mehr Buchhandlungen in China, da Bücher immer häufiger im Internet gekauft und online gelesen werden. Einer Statistik zufolge wurden allein im Jahr 2019 in Beijing dank der finanziellen Unterstützung der Regierung 285 Buchhandlungen eröffnet, das ist ein Zuwachs um 28,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Buchhandlungen dienen inzwischen nicht mehr nur dem Verkauf und Lesen von Büchern. Aber wenn Personen nur in eine Buchhandlung gehen, um dort Fotos zu machen, kann man sie dann wirklich noch Buchhandlung nennen? Wang Linsheng, ein Professor der Beijinger Akademie der Sozialwissenschaften, sagt:
„Internet-Berühmtheiten sind an sich ein besonderes Produkt des Internetzeitalters. Der Konsum besitzt ein besonderes Merkmal: Attraktivität. Man braucht es vielleicht nicht unbedingt, aber es muss faszinieren. Langfristig gesehen muss eine Buchhandlung natürlich auch ein entsprechendes inhaltliches Angebot bieten, sonst kann sie nur schwer lange existieren.“
Die Fotografen in den Buchhandlungen sehen das ähnlich. „Fotos machen bedeutet zwar nicht, dass man liest, aber es hängt mit den Büchern zusammen. Vielleicht ist es ja für viele der erste Schritt hin zum Lesen“, erklärt Xiao Ying.