An einer Ecke eines Friedhofes im Westen Berlins steht der Grabstein von John Rabe, einem einfachen deutschen Geschäftsmann, der aber von unzähligen Chinesen verehrt wird und an den regelmäßig erinnert wird. Während des Massakers von Nanjing 1937 hat er das Leben von 250.000 Chinesen gerettet.
Der 5. Januar war der 70. Jahrestag des Todes von Rabe. Etwa 30 Personen, darunter Deutsche und chinesische Auswanderer, hielten am Grab von Rabe eine Gedenkveranstaltung ab. Viele Chinesen kamen mit Blumen, standen in stiller Trauer und gedachten in tiefer Dankbarkeit.
„Als Chinesen kennen wir alle John Rabe“, sagte Song Liguo, ein Mann mittleren Alters, der seit 19 Jahren in Deutschland lebt und allein mit einem Blumenstrauß in der Hand zur Gedenkstätte kam. Song besuchte schon zum dritten Mal Rabes Grab. Er sagte: „Der bekannte Film ‚Schindlers Liste‘ erinnert mich oft an John Rabe. Ich war überrascht, dass sein Grab in der Stadt liegt, in der ich lebe, und beschloss, ihm persönlich meinen Respekt zu erweisen.“
Rabe, ein in Hamburg geborener Wirtschaftsvertreter von Siemens in China, galt als der „Oskar Schindler Chinas“, da er mit einigen wenigen verbliebenen Ausländern in Nanjing eine Sicherheitszone eingerichtet und zwischen 1937 und 1938 250.000 Leben gerettet hat.
Als Rabe Anfang 1938 nach Deutschland zurückgerufen wurde, nahm er ein zehnbändiges Tagebuch mit, das die Gräueltaten der japanischen Invasoren enthüllt.
Ju Zhengji, ein chinesischer Doktorand der Geschichte an der Freien Universität Berlin, hat einen überzeugenderen Grund, Rabe zu huldigen, denn er stammt aus Nanjing. Er hat sich freiwillig bereit erklärt, vor allen Anwesenden der Gedenkstätte zu sprechen: „Als Vertreter der Nanjinger stehe ich hier, um unseren Dank an Herrn Rabe auszudrücken. Wenn der Mensch eine große Sache getan hat, werden die Menschen ihn nie vergessen.“
Wolfram Wickert von der Erwin-Wickert-Stiftung, dem Organisator der Gedenkstätte, sagte, Rabe habe dazu beigetragen, das gegenseitige Verständnis und die Freundschaft zwischen Deutschland und China zu fördern. Der Mut, den er in dieser äußerst schwierigen Zeit zeigte, habe viele Seelen berührt.
Nach dem Besuch der Gedenkstätte besichtigten die Teilnehmer das Gebäude, in dem Rabe zuletzt gelebt hat. Dort hängt eine Metallplatte an der Wand, auf der Rabes Geschichte in Chinesisch, Deutsch und Englisch mit seinem Porträt vorgestellt wird.
Der Konstrukteur der Tafel, Thomas Wangler, ein Ingenieur von Siemens, gehört zu denjenigen, die Rabe huldigten. Er erzählte Xinhua, dass Rabe für ihn ein Fremder war, bis er einen Film über ihn sah. Den Film hätte er damals allerdings nur gesehen, weil er von der Firma Siemens handelte. Danach wurde er jedoch zum Rabe-Fan: „Ich war so beeindruckt von dem Geist der Menschlichkeit und dem Mut, den John Rabe zeigte, dass ich mich entschied, die Aufgabe zu übernehmen und die Platte zu entwerfen“, sagte Wangler.
Ein weiterer deutscher Teilnehmer, Egon Schüler, erzählte Xinhua: „Jemand ist tot, aber was er in der Vergangenheit getan hat, sollte für die Zukunft gelernt werden. Aus diesem Grund treffen wir uns hier zusammen.“