Botschafter Wu Ken im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur

2020-09-23 09:17:56

Der chinesische Botschafter in Deutschland Wu Ken hat sich vor kurzem von der deutschen Nachrichtenagentur DPA interviewen lassen. Dabei beantwortete Wu Fragen von dem bekannten Politikkorrespondenten Michael Fischer, unter anderem über die Beziehungen zwischen China und Europa sowie über die Hongkong-, die Taiwan- und die Xinjiang-Frage.


Frage: In diesen Tagen sollte eigentlich der EU-China-Gipfel in Leipzig stattfinden. Nun gab es wegen der Corona-Pandemie erst einmal nur eine Videokonferenz. Glauben Sie, aus dem Gipfel wird vor Jahresende noch etwas?

Botschafter WU: Bundeskanzlerin Merkel hat die Beziehungen der EU zu China zur außenpolitischen Priorität der deutschen Ratspräsidentschaft erklärt. Das ehrt uns und darauf setzen wir. Der von Deutschland initiierte Gipfel ist wichtig für die Beziehungen zwischen China und der EU. Wann er stattfinden wird, hängt aber davon ab, wie die Pandemielage sich entwickelt.

Frage: Das wichtigste wirtschaftspolitische Projekt zwischen der EU und China ist ein Abkommen, das gegenseitige Investitionen erleichtern soll. Rechnen Sie da noch mit einem Abschluss während der deutschen Ratspräsidentschaft?

Botschafter WU: Die Verhandlungen haben nach meiner Einschätzung schon das Endstadium erreicht. Bei der Videokonferenz in der vergangenen Woche haben beide Seiten ihren politischen Willen bekräftigt, noch in diesem Jahr zu einem Abschluss zu kommen. Das liegt in unserem gemeinsamen Interesse.

Frage: Die Beziehungen zwischen China und der EU werden allerdings durch tiefgreifende Differenzen in politischen Fragen massiv belastet. Es gibt scharfe Kritik der EU am Vorgehen Chinas in Hongkong und gegen die muslimische Minderheit der Uiguren in der Provinz Xinjiang…

Botschafter WU: Bei einer so umfangreichen Zusammenarbeit ist es unvermeidlich, dass es zu Problemen oder sogar Streitigkeiten kommt. Wichtig ist, dass wir immer bereit sind, miteinander zu sprechen. Solange wir das Prinzip von gegenseitigem Respekt und Nicht-Einmischung in innere Angelegenheiten befolgen und faktenbasiert argumentieren, können wir über alle Themen reden. Beim Thema Menschenrechte kann man immer Fortschritte machen. Aber wir sind der Meinung, dass man vor allem seine eigenen Hausaufgaben machen sollte, statt die anderen mit erhobenem Zeigefinger zu belehren.

Frage: Welche Hausaufgaben sollte Deutschland denn Ihrer Meinung nach machen?

Botschafter WU: Jedes Land hat seine eigenen Probleme. Es wird viel berichtet über Probleme mit Rechtsradikalismus, mit Rassismus und mit Antisemitismus in Deutschland.

Frage: Auf das umstrittene Sicherheitsgesetz für Hongkong und die Verschiebung der Parlamentswahl dort hat die Bundesregierung nun sogar mit Sanktionen reagiert…

Botschafter WU: Das Gesetz ist eine souveräne und notwendige Entscheidung Chinas, denn die Aktivitäten der separatistischen Kräfte und der radikalen Oppositionellen in Hongkong sind immer radikaler geworden und stellen eine ernste Bedrohung für Chinas nationale Sicherheit dar. Ich kann mich gut erinnern, wie eine Gruppe von Demonstranten vor einigen Wochen das Reichstagsgebäude in Berlin zu stürmen versuchte. Alle politischen Parteien und Medien haben diese Aktion scharf kritisiert. Aber als im vergangenen Jahr eine Gruppe in Hongkong das Regionalparlament stürmte, haben viele in Deutschland nur den Polizei-Einsatz verurteilt. Das ist Doppelmoral pur. Im Übrigen sind die Wahlen in vielen Ländern auch wegen der Pandemie verschoben worden.

Frage: Sind denn weitere Reaktionen Chinas auf die Sanktionen seitens der EU denkbar?

Botschafter WU: Wir lehnen jegliche Einmischung in die inneren Angelegenheiten Chinas ab.Weltweit haben die meisten Länder nationale Sicherheitsgesetze. Ich habe mal unser nationales Sicherheitsgesetz für Hongkong mit dem deutschen Strafgesetzbuch verglichen. Da finden sich ähnliche Regelungen und Prinzipien.

Frage: Verstimmungen zwischen der EU und China gibt es nicht nur wegen Hongkong, sondern auch wegen Taiwan. Der Besuch des Präsidenten des tschechischen Senats (eine von zwei Parlamentskammern) dort wurde vom chinesischen Außenminister Wang Yi während seiner Europareise scharf kritisiert…

Botschafter WU: Das war eine erzwungene diplomatische Reaktion. Taiwan ist ein untrennbarer Teil des chinesischen Territoriums und das Ein-China-Prinzip ist ein Konsens der internationalen Gemeinschaft einschließlich Tschechien. Herr Vystrcil hat die Regeln bewusst gebrochen und eine große politische Show abgezogen.

Frage: Wie würden Sie reagieren, wenn deutsche Parlamentarier nach Taiwan reisen würden?

Botschafter WU: Wir lehnen jeden offiziellen Kontakt mit Taiwan ab. Das Ein-China-Prinzip ist die politische Grundlage für China, um diplomatische Beziehungen zu allen Ländern einschließlich Deutschland zu pflegen.

Frage: Deutschland und die EU fordern, UN-Beobachter in die Provinz Xinjiang zu schicken, um sich ein Bild von der Situation der Uiguren zu machen. Ist China bereit eine solche Mission zu ermöglichen?

Botschafter WU: Über Xinjiang sind viele Lügen und Täuschungen verbreitet. In der Wirklichkeit leben die Menschen dort in Stabilität und Frieden. Xinjiang ist offen und die Einladungen an die Hochkommissarin für Menschenrechte (OHCHR) sowie die BotschafterInnen der EU-Länder in Peking dorthin sind schon ergangen. Ich bin sicher, dass die Delegationen vor Ort ein umfassendes und objektives Bild gewinnen können.

Frage: Wann soll dieser Besuch stattfinden?

Botschafter WU: Ich gehe persönlich davon aus,wenn die Pandemielage ihn erlaubt.

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