In der Kommentarspalte von „The New York Times“ ist am Mittwoch der Beitrag „Meine Verwandten in Wuhan haben überlebt, aber mein Onkel in New York ist gestorben“ von Rao Yi, dem Dekan der chinesischen Capital Medical University, veröffentlicht worden.
In dem Beitrag stellt Rao Yi das Schicksal seiner Familie vor: Wie viele Intellektuelle der älteren Generation lebte seine Familie nach der Niederlage der Kuomintang weit voneinander entfernt. Sein Vater blieb auf dem chinesischen Festland, um Medizin zu studieren, während sein Onkel in die wirtschaftlich entwickelten Vereinigten Staaten ging.
Die Entwicklung und der Aufstieg der Vereinigten Staaten lockten Rao Yi und seinen Vater zu einem Auslandsstudium. Rao wurde in den 1990er-Jahren US-amerikanischer Staatsbürger. Lange Zeit hielt seine Familie die USA für die bessere Wahl. Nach dem Vorfall vom 11. September 2001 begann er jedoch, den Status des „demokratischen Leuchtturms“ der Vereinigten Staaten in Frage zu stellen und gab seine US-Staatsbürgerschaft 2011 auf.
Alle Verwandten seiner Familie in Wuhan hätten die Epidemie überlebt, während sein Onkel Eric (Houhua) in New York gestorben sei, schrieb Rao weiter. Die USA hätten die Gelegenheit gehabt, hart an der Senkung der Infektions- und Sterblichkeitsrate zu arbeiten und aus den Erfahrungen Chinas beim Kampf gegen die Pandemie zu lernen. Doch sie hätten dies nicht getan. Er habe im Mai die Nachricht vom Tod seines Onkels erhalten, der in Queens, New York, gelebt habe und im Alter von 74 Jahren an COVID-19 gestorben sei.
Archivfoto: Rao Yi
Rao Yis Onkel war Apotheker. Er hat sich möglicherweise durch Patienten angesteckt, die bei ihm Medikamente kauften. Nach der Infektion im März kämpfte er mehr als zwei Monate lang gegen die Krankheit. Bis zu zehn Tagen vor seinem Tod wurde er an ein Beatmungsgerät angeschlossen. Dann galt er als unheilbar und das Beatmungsgerät wurde einem anderen Patienten zugeteilt, der möglicherweise gerettet werden könnte.
Rao Yi schrieb, sein Vater, der Medizin studiert habe, habe nicht erwartet, dass sein 15 Jahre jüngerer Bruder an einer von ihm studierten Atemwegserkrankung sterben würde.
Sein Onkel hätte geheilt werden können, wenn er in Wuhan gewesen wäre, erklärte Rao am Ende des Beitrags. Die USA seien heute keine gute Wahl mehr.