London
„Der Verzicht Chinas auf die Festlegung eines konkreten Wirtschaftswachstumsziels ist möglicherweise eine gute Nachricht für die Welt“. So lautet der Titel eines Beitrags von Keyu Jin, Professorin für Wirtschaft an der London School of Economics and Political Science, der am Montag auf der Webseite der britischen Tageszeitung „The Guardian“ veröffentlicht wurde.
Es bedeute eine neue Denkweise, wenn kein festes Wachstumsziel zur Normalität werde, schrieb Jin in dem Beitrag. Es zeige, dass China in mehreren Bereichen große Fortschritte erzielt habe.
Erstens werde China von einer quantitativen zu einer qualitativen Entwicklung wechseln, wenn das Entwicklungsziel aufgegeben würde. Dies werde dazu beitragen, dass China hochqualitative Produkte herstelle, statt hochquantitativ zu arbeiten.
Zweitens habe sich China in den vergangenen Jahren auf hohe Kosten für die Umwelt und das wirtschaftliche Ungleichgewicht entwickelt. Es habe eine Überhitzung von Investitionen und Abhängigkeit von Krediten gegeben. Das Wachstum der chinesischen Wirtschaft in den vergangenen Jahren hänge immer mehr von Krediten und Ausgaben ab, statt von der stetigen Erhöhung der Produktivität. Dies habe zu hohen Schulden geführt, die heute die finanzielle Stabilität in China gefährdeten und die wirtschaftliche Vitalität schwächten.
Außerdem könnten einige internationale Regeln geändert werden. Ausfuhren müssten nicht mehr mit aller Kraft erhöht werden, um das vorgegebene Wirtschaftswachstum zu erreichen. In der Tat würden Export-Subventionen durch die Regierung gekürzt, die Abhängigkeit von ausländischem Konsum verringert und der Einkauf von Ressourcen aus dem Ausland gesenkt.
Im Großen und Ganzen sei es vernünftig, mehr Wert auf moderne Entwicklungswege statt auf Ziele zu legen, so Jin weiter. Dass China sein Wachstum verlangsame und seine Qualität erhöhe, sei nicht nur eine gute Nachricht für die Chinesen, sondern auch für die anderen Länder auf der Welt.
Chinas Premierminister Li Keqiang hatte am 22. Mai auf der Eröffnungszeremonie der diesjährigen Jahrestagung des Nationalen Volkskongresses angekündigt, dass China kein konkretes Ziel für das Wirtschaftswachstum 2020 festlegen werde.