In unserer allerletzten Sendung vor dem Beginn der Beijinger Spiele verfolgen wir den Ausnahmeathleten Carl Lewis weiter auf seinem Weg in die Rekordlisten.
Endlich durfte Lewis nach dem amerikanischen Boykott der Spiele von 1980 in Moskau auch bei Olympischen Spielen sein Talent unter Beweis stellen und er tat dies mal wieder keineswegs in bescheidener Manier. Schließlich hatte Lewis nie einen Hehl daraus gemacht, dass er mit seinem Sport reich werden wollte, also musste er bekannt werden. In den USA sind Leichtathleten keine wahren Stars und zu Lewis Zeit waren sie es erst recht nicht. Bei Olympischen Spielen war das ein wenig anders, dann schenkte die Nation ihren Athleten große Aufmerksamkeit. Lewis sicherte sich diese dann auch gleich, indem er sein Ziel, es seinem Idol Jesse Owens gleichzutun und vier Goldmedaillen zu gewinnen, lautstark verkündete. Während andere diesem selbstproduzierten Druck vielleicht nicht gewachsen gewesen wären, hatte Lewis damit keine Schwierigkeiten. In seinem ersten Wettkampf, dem 100 Meter Lauf, siegte er in einem überzeugenden Lauf in 9,99 Sekunden und war damit 0,20 Sekunden schneller als der Zweite. Im Weitsprung sicherte er sich mit einer Weite von 8,54 Metern mit Leichtigkeit die Goldmedaille, zwei hatte er also schon sicher. Er gewann die Medaille in seinem ersten Sprung, sein zweiter Versuch war ungültig, daraufhin entschied sich Lewis, die übrigen Versuche auszulassen, er wollte sich aufgrund seiner vielen Starts nicht zu sehr auspowern. Das Publikum verzieh ihm das nicht, es boote ihn aus, Lewis war einfach ein zu eigenwilliger Sportler, um von den Fans so richtig geliebt zu werden. Und dennoch war Lewis Entscheidung für ihn persönlich vollkommen richtig, denn zwei Tage später gewann er in neuem olympischen Rekord Gold über die 200 Meter. Seinem eigenen Ziel kam er also immer näher. Nur drei Tage später startete Lewis in der 4 x 100 Meter Staffel der USA, sie zu Gold lief. Lewis war mit Jesse Owens gleichgezogen, er hatte vier Goldmedaillen bei ein und denselben Spielen gewonnen. Allerdings konnte er aus diesem Erfolg viel weniger Kapital schlagen als erhofft, vor allem in den USA. Seine Art machte es ihm einfach schwer.
Aber wie gesagt, Lewis ließ sich davon nicht irritieren. Er setzte seinen sportlichen Siegeszug fort. Den meisten wird vermutlich nicht bekannt sein, dass Lewis nach seinem ersten Olympiaauftritt in der zehnten Runde der NBA Drafts von den Chicago Bulls gedraftet wurde, als dritte Pick war Michael Jordan gedraftet worden. Lewis bestritt aber nie ein NBA-Spiel.
Nach den Spielen blieb Lewis im Weitsprung dominant, auch wenn er zwischenzeitlich in der Weltrangliste nur noch auf Rang zwei lag, über die 100 Meter war es noch schwerer, vorne dabei zu bleiben. Mit Ben Johnson erwuchs ihm sein stärkster Gegner, 1986 stellte Johnson mit einer Zeit von 9,95 Sekunden einen neuen Weltrekord auf. Am Ende dieses Jahres hatte Lewis mehr Rennen verloren als gewonnen, auf der Weltrangliste lag er nur noch auf Platz drei. Das Jahr 1987 sollte ein besonders schwieriges für Lewis werden. Der Tod seines Vaters hinterließ eine große Lücke. Lewis legte seinem Vater seine Goldmedaille über 100 Meter von den Olympischen Spielen 1984 mit in den Sarg. Zu seiner Mutter sagte er, sie solle sich keine Sorgen machen, er werde noch eine gewinnen. Dann kamen die Weltmeisterschaften in Rom. Lewis verzichtete auf einen Start über 200 Meter, er wollte sich ganz auf den Weitsprung konzentrieren. Dort nutze er all seine Versuche, womit er weniger die Fans beruhigen als seine Chance nicht verspielen wollte. Denn mit dem Russen Robert Emmiyan war ein weiterer Springer im Wettkampf, der bereits über 8,80 Meter weit gesprungen war. Am Ende wurde Lewis mit einer Weite von 8,67 Metern Weltmeister und auch mit der 4 x 100 Meter Staffel sicherte er sich den Titel. Sein Lauf hatte maßgeblichen Anteil daran, dass das US-Team siegte.
Deutlich schlechter lief es für Lewis über die 100 Meter. Hier konnte er sich trotz viel versprechenden Vorläufen am Ende nicht gegen Ben Johnson durchsetzen, obwohl Lewis den Weltrekord brach, wurde er nur Zweiter. Johnson stellte mit 9,83 Sekunden eine neue Weltbestzeit auf. Lewis versuchte seine Niederlage zu erklären und brachte dabei auch das Thema des Dopings in Zusammenhang mit Johnson auf. Dies trug nicht dazu bei, dass Lewis beliebter wurde, denn Johnson erklärte, Lewis habe sich für dieses Thema nicht interessiert, solange er gewonnen habe.
Vor den Olympischen Spielen 1988 in Seoul war der Wettstreit zwischen Johnson und Lewis auf einem Höhepunkt. Johnson hatte in der Halle eine Verletzung erlitten und war dabei, wieder in Form zu kommen. Bei einem Wettkampf in Zürich trafen die beiden aufeinander, diesmal siegte Lewis, er verbesserte seine Zeit gegenüber den Weltmeisterschaften ein Jahr zuvor aber nicht. Bei Johnson stellte sich die Frage, war er bereit für die Spiele? In Seoul spielten sich dann fast Dramen ab, zunächst sah es so aus, als ob Johnson es nicht mal ins Halbfinale schaffen würde, dann schaffte er es doch, am Ende gewann er in neuem Weltrekord von 9,79 Sekunden, Lewis lief mit 9,92 Sekunden neuen amerikanischen Rekord, aber es reichte nicht. Johnson zitierte nach seinem Sieg den vielgeliebten Auspruch, dass nachfolgende Läufer ihm den Rekord nehmen könnten, nicht aber die Medaille. Er sollte sich täuschen und dazu musste er nicht auf die nächste Generation Läufer warten. Denn drei Tage nach seinem Sieg wurde Johnson positiv auf Steroide getestet, die Medaille wurde ihm aberkannt und Lewis zugesprochen, seine Zeit wurde als neuer olympischer Rekord festgehalten. Im Weitsprung gewann Lewis mit 8,72 Metern wieder olympisches Gold. Erstmals konnte damit ein Sportler beide Titel bei Olympischen Spielen verteidigen. In der Staffel hatte Lewis keine Chance zu einer Titelverteidigung, da das amerikanische Team ohne ihn im Vorlauf beim Stabwechsel gepatzt hatte und daher disqualifiziert wurde. Über die 200 Meter gewann Lewis in Seoul seine einzige olympische Silbermedaille. Nach den Spielen war Lewis vor allem über die 100 Meter nicht mehr ganz so dominant, die Medien schrieben ihn mal wieder ab, man sprach von Leistungsabbau bei Lewis. Dieser konterte mit einem phänomenalen Auftritt bei den Weltmeisterschaften 1991 in Tokio. Das 100 Meter Finale war dramatisch, Lewis nahm es mit zwei Konkurrenten auf, die in den Jahren vor der WM die Weltrangliste angeführt hatten. Sechs der zehn Finalstarter liefen am Ende eine Zeit unter zehn Sekunden. Und Lewis hatte die Nase vorn, mit 9,86 Sekunden lief Lewis einen neuen Weltrekord. "Er war das Rennen meines Lebens, und das mit 30", sagte er. Mit der 4 x 100 Meter Staffel gab es ebenfalls Gold in Weltrekordzeit. Noch besser war allerdings das Weitsprungfinale, das bis heute als einer der besten Sportevents aller Zeiten gilt. Lewis hatte seit fast zehn Jahren keinen Weitsprung-Wettkampf verloren, nun hieß sein Gegner Mike Powell, der hatte noch nie gegen Lewis gewinnen können und war heiß. Powell sprang nach einem ungültigen Versuch 8.54 Meter, Lewis hielt dagegen, dann sprang Lewis unglaubliche 8,91, weiter als Bob Beamon, aber aufgrund des starken Rückenwinds zählte der Versuch nicht als Weltrekord. Powell setzte nach und schaffte unfassbare 8,95 Meter. Lewis brachte es noch auf 8,94 Meter, er sprang in diesem Wettkampf die beste Serie aller Zeiten, wobei er den Weltrekord brach und den drittweitesten Sprung aller Zeiten hinlegte, aber es reichte nicht. Powell wurde Weltmeister, sein Rekord steht bis heute. Lewis bezeichnete dies als den besten Wettkampf, den er je bestritten hatte, tat sich aber schwer, Powells Leistung anzuerkennen. Diese Haltung war ein Grund, warum er bei den Fans nie wirklich beliebt war. Über Powell sagte er, "er hat es geschafft, es war vermutlich der beste Sprung seines Leben und vielleicht wird er das nie wieder schaffen." Lewis sollte recht behalten, aber das gleiche sollte auch für ihn selbst gelten. Bei den Olympischen Spielen 1992 schaffte Lewis es erneut, im Weitsprung Gold zu holen. Dabei setzte er sich gegen Mike Powell durch, auch mit der 4 x 100 Meter Staffel gab es wieder Gold. Inzwischen hatte Lewis acht olympische Goldmedaillen gewonnen, aber das reichte ihm nicht. Er wollte auch zu den Spielen nach Atlanta und als erster amerikanischer Athlet qualifizierte er sich zum fünften Mal im Weitsprung für die Spiele.
Im Alter von 35 Jahren reichte sein längster Satz innerhalb von vier Jahren, ein Sprung von 8, 50 Metern aus, um zu siegen. Lewis hat in Atlanta gegen das Alter, die Schwerkraft, die Geschichte, die Logik und die Welt gewonnen, schrieb ein bekannter amerikanischer Sportreporter nach Lewis Sieg. Es war vermutlich der unwahrscheinlichste Moment in einer unwahrscheinlich brillanten Karriere. Diese beendete Lewis nach diesem Erfolg. Er ist mit dem großen Paavo Nurmi der erfolgreichste Leichtathlet aller Zeiten bei Olympischen Spielen, auf der ewigen Bestenliste aller Olympioniken rangiert er mit der Turnerin Larissa Latynina, Nurmi und dem Schwimmer Mark Spitz auf den ersten Rängen. Carl Lewis ist damit auch einer von nur drei Athleten, der bei vier Olympischen Spielen in einer Einzeldisziplin siegreich war.