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Paavo Nurmi (3)
   2008-04-28 17:03:45    Seite Drucken    cri

Er war so erfolgreich, so faszinierend und so anders, dass wir uns auch in dieser Woche noch mal mit ihm befassen wollen. Wir treffen Paavo Nurmi bei den Spielen 1924 in Paris wieder, nach seinem Erfolg in der Hitzeschlacht von Columbes, dem Querfeldeinlauf bei 45 Grad in der Sonne. Von 38 Startern waren nur 15 ins Ziel gekommen, acht mussten im Krankenhaus behandelt werden, den kühlen Finnen aus dem hohen Norden konnte das nicht erschüttern. Er startet einen Tag später in seinen letzten Wettkampf bei diesen Spielen, im 3.000 Meter Mannschaftsfinale. Wieder an seiner Seite, sein Landsmann Ville Ritola, denn diesmal geht es miteinander für Finnland und nicht gegeneinander um die Medaillen. Die stärksten Gegner in diesem Finale sind die Teams aus den USA, aus Frankreich und Großbritannien. Aber es ist ein hoffnungsloses Unterfangen, Nurmi halten zu wollen, er übernimmt nach einem Kilometer die Führung und Joie Ray, der Amerikaner, der ihm zu folgen versucht, muss kurz darauf vollkommen entkräftet von Nurmi ablassen. Ville Ritola führt das restliche Feld an und setzt schließlich zu Beginn der letzten Runde zum Sprint an. Die fliegenden Finnen enteilen mal wieder der Konkurrenz, am Ende siegt Nurmi vor Ritola. Als Elias Katz, ein weiterer Finne als fünfter ins Ziel kommt, steht fest, dass Finnland auch diesen Wettbewerb gewonnen hat. Mit diesem Erfolg gehen die Olympischen Spiele in Paris auch für Paavo Nurmi zu Ende, seine Bilanz ist unglaublich. In sechs Tagen hat er sieben Rennen bestritten und sie alle gewonnen. Das hat ihm fünf Olympische Goldmedaillen eingebracht. Trotz aller Erfolge ärgert sich Nurmi nach wie vor, dass der finnische Verband ihn nicht über 10.000 Meter starten lassen hat. Er protestiert auf seine Weise, nach seiner Rückkehr nach Finnland stellt er über 10.000 Meter einen neuen Weltrekord auf, der 13 Jahre lang nicht gebrochen werden kann. Ein weiterer Rekord hat noch länger Bestand, denn es dauert sage und schreibe 80 Jahre, bis ein Olympionike Nurmis Doppelsieg über die 1.500 und 5.000 Meter wiederholen kann. Bei den Spielen im Jahr 2004 gelingt das Hicham el-Guerrouj, allerdings werden die Rennen nicht innerhalb von weniger als zwei Stunden gestartet.

1925 reist Nurmi in die USA, um hier verschiedene Rennen zu laufen. Um weiterhin den Amateurstatus zu behalten, den er braucht, um zu den Olympischen Spielen zugelassen zu werden, darf er keine Honorare nehmen. Er stellt allerdings geschickt hohe Spesenrechnungen, sodass er bei seinen 55 Rennen in nur fünf Monaten auch etwas verdient. Nurmi begeistert die Amerikaner, nie war Finnland dort populärer. Ganz nebenbei sei erwähnt, dass er 53 seiner Rennen gewann, eines sagte er ab und eines war ein Kurzstreckenrennen, angesetzt, damit er auch mal wieder verlöre.

1928 ist Nurmi bei den Olympischen Spielen in Amsterdam wieder dabei.

Ehrgeizig und schweigsam wie immer, darf er diesmal auch über die 10.000 Meter starten. Für diesen Lauf gibt es keinen Vorlauf und Nurmi gewinnt so in seinem ersten Wettkampf am ersten Tag der Leichtathletik Wettbewerbe gleich die Goldmedaille. Zweiter wird mit Ville Ritola ein guter Bekannter. In der Qualifikation für den 5.000 Meter Lauf wird Nurmi nur vierter, das ist sein schlechtestes Ergebnis bei Olympischen Spielen überhaupt, aber er ist qualifiziert. Da Nurmi sich nicht für das finnische 1.500 Meter Team qualifiziert hat, entschließt er sich, am 3.000 Meter Hindernisrennen teilzunehmen, nachdem auch der Querfeldeinlauf aus dem Olympischen Programm gestrichen worden war. Nurmi ist erst zweimal in einem Hindernislauf gestartet, aber er will es wissen. Schon das erste Hindernis, eine Hürde von einem Wassergraben erweist sich als beinahe Wettkampf entscheidend. Ein Spike von Numis Schuh verfängt sich in der hölzernen Hürde, Nurmi stürzt in die tiefste Stelle des Wassergrabens und verstaucht sich die Hüfte und den Fuß. Der Franzose Lucien Duquesne hilft Nurmi auf, aus Dankbarkeit zieht der verletzte Finne den Franzosen dann am gesamten Feld vorbei. Auf der Zielgeraden will Nurmi dem Franzosen den Vortritt lassen, was dieser aber ablehnt, er geht bescheiden nach dem großen Champion über die Linie, es ist schließlich auch ein Qualifikationslauf. Im Finale des 5.000 Meter Laufs leiden die beiden Finnen Nurmi und Ritola noch unter den Blessuren aus der Hindernislauf-Qualifikation, denn auch Ritola hat sich den Knöchel verstaucht. Und dennoch übernehmen die beiden die Führung, auf der Hälfte der Strecke zieht Ritola mit schmerzverzerrtem Gesicht das Tempo an, nur Nurmi, der Schwede Wide und Leo Lermond aus den USA folgen. 600 Meter vor dem Ziel zieht Ritola noch mal an, jetzt bleibt nur noch Nurmi dran, beide Athleten laufen aufgrund ihrer Verletzungen deutlich sichtbar unrund. Die Zuschauer warten auf Nurmis Angriff kurz vor dem Ziel, doch dieser bleibt aus. Ritola holt Gold, Nurmi Silber. Nach dem Rennen massiert er seine schmerzende Hüfte, nie zuvor hat er nach einem Lauf so erschöpft gewirkt.

Und das Finale des Hindernislaufs steht noch an. Nurmi und Ritola haben hierfür bescheidene Ziele, die Verletzungen schmerzen und der 5.000 Meter Lauf hat sie ausgelaugt. Sie entscheiden sich daher dafür, den finnischen Spezialisten Toivo Loukola in Szene zu setzen. Loukola setzt sich früh ab, Nurmi führt das Feld an, er wird von den Gegnern genau beobachtet, alle warten auf seinen Angriff auf Loukola, aber Nurmi macht keine Anstalten, im Gegenteil, er hält das Feld auf Abstand zum Führenden. In der letzten Runde setzt sich Nurmi schließlich doch vom Feld ab, er wird zweiter hinter Loukola, auch Bronze geht an einen Finnen. Nurmis Zeit ist besser als seine bisherige persönliche Bestleistung und das mit geprellter Hüfte und im Alter von inzwischen 31 Jahren.

Nach den Spielen überlegt Nurmi, seine Karriere auf der Bahn zu beenden, aber er entscheidet sich dagegen, 1930 ist er wieder in Weltrekordform, in London bricht er den Rekord über sechs Meilen, in Stockholm den über 20 Kilometer.

Nurmis großer Traum reift, bei den Spielen 1932 in Los Angeles will er seine Karriere wie sein großes Vorbild Hannes Kolehmainen mit einer Goldmedaille im Marathonlauf krönen. Aber es soll anders kommen. Der Internationale Leichtathletikverband, dem ein Schwede vorsteht, wirft Nurmi vor, Geld mit dem Laufen zu verdienen, also ein Profi zu sein. Die Finnen wittern einen Vorstoß gegen ihren Starläufer aufgrund von Ressentiments der Schweden gegen Finnland. Aber das ist nicht zu beweisen. Nurmi ignoriert die Anschuldigungen zunächst und reist unbeirrt nach Los Angeles, er trainiert im Olympischen Dorf und geht davon aus, dass er am Ende doch starten kann. Aber er darf nicht, er wird lebenslänglich gesperrt. Sein Traum vom Marathonerfolg ist ausgeträumt. Ein tief getroffener Nurmi voller Gram schaut sich in L.A. weder den 10.000 Meter Lauf noch den Marathon an, er erklärt allerdings er wäre im Marathon fünf Minuten schneller gewesen als der Sieger.

Finnland ignoriert Nurmis Sperre und so gewinnt Nurmi 1934 auf heimischem Boden sein letztes 10.000 Meter Rennen.

Nach dem Ende seiner Karriere wird Nurmi ein erfolgreicher Geschäftsmann, als Bauunternehmer und Immobilienverwalter kommt er zu einem ansehnlichen Vermögen. Immer wieder trainiert er zudem finnische Läufer. So sehr er auch die Öffentlichkeit meidet, so einsatzfreudig ist er stets im Sinne seines Landes. Während des zweiten Weltkriegs reist er mit Taisto Mäki, einem finnischen Läufer, dem ersten der 10.000 Meter in unter einer halben Stunde läuft, nach Amerika, um Gelder für einen Kriegsopfer-Hilfsfonds für Finnland zu sammeln.

Es dauert allerdings bis 1952, bis er seinen Frieden mit dem IOC macht. Bis zum Eröffnungstag weiß keiner, wer die olympische Fackel für die Spiele in Helsinki ins Stadion tragen darf. Als dann auf der Anzeigentafel der Satz aufleuchtet: Die Fackel wird nun von Paavo Nurmi ins Stadion getragen werden, verstummen 70.000 Menschen für wenige Sekunden, dann bricht ein unglaublicher Jubel los, Paavo Nurmi entzündet das olympische Feuer im Stadion, Hannes Kolehmainen entzündet ein weiteres in einem Turm am Stadionrand. Der Olympia-Held Nurmi ist zurück.

Wie im Sport, so zeichnen ihn auch im weiteren Leben Intelligenz, Introvertiertheit und enorme Zielstrebigkeit aus. Auch nach einer Koronarthrombose arbeitet Nurmi weiter, er richtet unter anderem eine Stiftung zu Erforschung von Herzkrankheiten ein. Seine letzten Lebensjahre waren allerdings ein endloses Leiden. Er erlitt mehrere Herzattacken, war halbseitig gelähmt und fast blind. 1973 stirbt er im Alter von 77 Jahren in Helsinki. Er erhält ein Staatsbegräbnis. Der finnische Staatspräsident Kekkonen, selbst ein ehemaliger Stabhochspringer, lässt Nurmis Leistungen noch einmal Revue passieren, kommt aber zu dem Schluss, dass er kein glücklicher Mensch gewesen sei. Das mag stimmen, denn Nurmi selbst hatte im Alter oft erklärt, er habe nichts geleistet, denn nur wirklich harte Arbeit, Wissenschaft und Kunst hätten einen wahren Wert. Nun, Finnland und die Sportwelt konnten und können ihm in diesem Punkt nicht zustimmen, Rekorde werden gebrochen werden, Medaillen verlieren ihren Glanz, Gewinner finden ihre Nachfolger, aber die historische Figur Paavo Nurmi wird unvergessen bleiben, sagte die finnische Bildungsministerin bei Nurmis Beerdigung.

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