Bei jeder Station des Fackellaufs für die Olympischen Spiele steht vor allem der erste Fackelträger im Interesse der Medien, er repräsentiert den Wert, den das jeweilige Land diesem Ereignis beimisst, er wird mit sehr viel Sorgfalt ausgewählt. In Almanty trug daher der kasachische Präsident Nursultan Nazarbayev als erster die Fackel. In St. Petersburg wurde diese Ehre der ersten russischen Olympiasiegerin Galina Zeibina zu Teil. Sie hat zudem im zweiten Weltkrieg die Belagerung der Stadt erlebt und überlebt, keine eine andere hätte St. Petersburg, die "Stadt der Helden", damit besser vertreten können. Auch in London und Paris trugen berühmte Sportler des jeweiligen Landes die Fackel auf den ersten Metern durch die Städte. In San Francisco wurde diese ehrenvolle Aufgabe einer Chinesin zuteil:
"Anfangs wusste ich nur, dass ich als Fackelträgerin ausgewählt war. Als ich dann vor zwei Tagen erfuhr, dass ich die Fackel als erste durch San Francisco tragen darf, war ich vollkommen überrascht"
Lin Li ist die erste Schwimmweltmeisterin Chinas. Dreimal nahm sie außerdem an Olympischen Spielen teil, bei den Spielen 1992 in Barcelona holte sie Gold über die 200 Meter Lagen. Heute ist Lin Li 38 Jahre alt, lebt in den USA und hat seit ihrem letzten Auftritt bei den Olympischen Spielen 1996 in Atlanta viel erlebt. In China hörte man in den vergangenen zwölf Jahren wenig von ihr.
Lin Li erklärt, ihr Leben sei nicht aufregender als das Leben anderswo:
"Ich führe ein ruhiges, ganz normales Leben. Nachdem ich mich im Jahr 1996 vom aktiven Wettkampfssport zurückgezogen hatte, arbeite ich zunächst für zwei Jahre als Trainerin in Hongkong, dann trainierte ich zwei Jahre lang eine Mannschaft in der ostchinesischen Provinz Jiangsu. Als ich schließlich in die USA ging, wollte ich eigentlich Englisch lernen und eventuell studieren. Aber das habe ich dann irgendwie nicht so hinbekommen. Ich arbeitete also drei bis vier Jahre als Trainerin bei einem Schwimmverein. Dann habe ich geheiratet und bin Mutter geworden, meine Tochter ist inzwischen fünf Jahre alt. Seit ihrer Geburt ist die Familie der Mittelpunkt meines Lebens."
Lin Li betont, dass ihr momentan die Familie am wichtigsten sei. Sie habe zwar nach wie vor große Lust im Schwimmsport aktiv zu sein, aber derzeit könne sie eben einfach aus zeitlichen Gründen nur Privatstunden geben. Als Olympia-Siegerin erinnere sie sich aber oft und immer gerne an ihr Leben als Sportlerin:
"Noch heute ist es für mich unheimlich spannend, Aufzeichnungen von Wettkämpfen aus meiner aktiven Zeit zu sehen. Auch wenn ich das Ergebnis natürlich längst kenne, schlägt mein Herz immer noch schneller, wenn ich die Bilder sehe. Ich kann das nicht erklären, aber es ist einfach so."
Die Tatsache, dass sie als Fackelträgerin das olympische Feuer tragen durfte, hat Lin Lis Leidenschaft für den Sport und die Olympischen Spiele wieder erneut entfacht:
"Für mich fühlt es sich so an, als ob ich wieder an den Olympischen Spielen teilnehme. Wenn ich ein bisschen jünger wäre, hätte ich vielleicht sogar noch bei den Olympischen Spielen in Beijing dabei sein könne, als Aktive und nicht nur als Fackelträgerin. Das hätte mir sehr viel Freude gemacht."
Warum aber wurde Lin Li als erste Fackelträgerin für San Francisco ausgewählt? Zum einen natürlich, weil sie eine Goldmedaille bei den Olympischen Spielen gewonnen hat. Zum anderen, weil sie als Chinesin alle Chinesen, die in San Francisco leben und zur Entwicklung dieser Stadt beigetragen haben, vertreten kann. Und da Lin Li wusste, dass aus diesem Anlass die Augen vieler Landsleute wieder auf ihr ruhen werden, wollte sie auch ihre Wünsche für die Olympischen Spiele zum Ausdruck bringen:
"Liebe Hörer von CRI, guten Tag! Ich bin Lin Li. Ich wünsche den Olympischen Spielen in Beijing viel Erfolg!"